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Die guten alten Zeiten sind jetzt

Von Monika Köppl-Turyna

Gastkommentare
Monika Köppl-Turyna ist Ökonomin und Direktorin des Forschungsinstituts Eco Austria.

Noch 1950 war die globale Sterblichkeitsrate fünfmal so hoch wie heute.


Gerade in Krisenzeiten neigt der Mensch dazu, voller Zuversicht in die Vergangenheit zu blicken. Dank der sogenannten "Positivity Bias" sieht die nämlich immer etwas rosiger aus, als sie tatsächlich war. Außerdem halten wir für selbstverständlich, woran wir uns gewöhnt haben. Dabei sind unsere heutigen Selbstverständlichkeiten das Ergebnis enormer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fortschritte im 20. Jahrhundert.

So haben wir etwa die meiste Zeit in unserer Geschichte haushoch gegen diverse Krankheitserreger verloren. Die Pocken gehörten lange zu den schlimmsten Killern; die Daten deuten darauf hin, dass sie in den letzten hundert Jahren ihres Bestehens mindestens eine halbe Milliarde Menschen getötet haben. Heute gibt es diese Krankheit nicht mehr. Der Pockenimpfstoff ermöglichte ihre weltweit vollständige Ausrottung und hat seither das Leben von etwa 150 bis 200 Millionen Menschen gerettet. Ähnliches gilt für die Kinderlähmung: Noch zu Beginn der 1980er Jahre gab es jährlich zwischen drei- und vierhunderttausend Polio-Fälle. Im Jahr 2020 waren es weltweit nur noch 298.

Dann der Hunger: Die Zahl der Hungertoten schwankt von Jahrzehnt zu Jahrzehnt sehr stark, aber dennoch war sie in den letzten vierzig Jahren im historischen Vergleich niedrig. Noch in den 1960er und 1970er Jahren sind viele Millionen Menschen weltweit an Hunger gestorben - ein erheblicher Teil davon, die Schätzungen reichen von 15 bis 55 Millionen, in der größten Hungersnot der Menschengeschichte während Maos "Großem Sprung nach vorn". Im Jahr 2011 verhungerten 255.000 Menschen in Somalia. Jeder einzelne von ihnen war selbstverständlich einer zu viel; die Größenordnung ist dennoch eine andere.

Und schließlich die Kinder: Über die verfügbaren historischen Daten hinweg starben 26,9 Prozent der Neugeborenen in ihrem ersten Lebensjahr und 46,2 Prozent, bevor sie das Erwachsenenalter erreichten. Zwei Zahlen, die man sich leicht merken kann: Etwa ein Viertel starb im ersten Lebensjahr, etwa die Hälfte starb als Kind. Heute liegt die weltweite Kindersterblichkeitsrate bei 2,9 Prozent. Und 4,6 Prozent der Kinder sterben, bevor sie 15 Jahre alt werden. Noch 1950 war die globale Sterblichkeitsrate fünfmal so hoch wie heute.

Krankheiten, Hunger, Kindersterblichkeit - das sind nur drei Beispiele von vielen, die uns zeigen, wie erfolgreich die Welt in den letzten Jahrzehnten war. Darauf dürfen wir uns freilich nicht ausruhen, denn Probleme gibt es immer noch genug. Manche Regionen der Welt profitieren weniger von der Entwicklung als andere, und viele Statistiken zeigen uns das grobe Missverhältnis, das daraus entsteht.

Dennoch: Wir leben gerade, trotz Pandemie, trotz Krise, noch immer in der besten aller Zeiten. Und: Es wird gut weitergehen. Vom Erfolg der mRNA-Impfung gegen Covid-19 profitiert nun die Forschung an Krebstherapien sowie an Impfstoffen gegen HIV und Malaria. Wir dürfen zuversichtlich sein - und schon das ist mehr, als die allermeisten Menschen vor uns sagen konnten.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.