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Maastricht at 30

Von Harald Oberhofer

Gastkommentare
Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und forscht am Wifo.
© Roman Reiter / WU

Die Wirtschafts- und Währungsunion ist nur bedingt funktionstauglich.


Vieles blieb in der Menschheitsgeschichte unvollendet. Wolfgang Amadeus Mozart konnte sein "Requiem", Gustav Mahler seine zehnte Sinfonie bis zum Tod nicht vollenden. Mit dem Bau der Sagrada Família in Barcelona wurde 1882 begonnen. Bis heute wurde die Basilika nicht fertiggestellt, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, auch wenn das geplante Fertigstellungsdatum 2026 wegen Covid-19 verschoben werden musste.

Am 7. Februar vor 30 Jahren wurde der Vertrag von Maastricht unterschrieben und die Europäischen Gemeinschaften zur Europäischen Union - zumindest dem Namen nach. Die Schaffung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion bildet das Kernstück dieses Vertragswerks. In diesem Kapitel wurde die Einführung des Euros als gemeinsame Währung fixiert. Für die Teilnahme an der Währungsunion wurden vier Konvergenzkriterien definiert. Diese Kriterien müssen die Mitgliedsländer erfüllen, um an der Eurozone teilnehmen zu können. Die Kriterien umfassen etwa die bekannten "Staatsschuldenziele", wonach in einem Mitgliedsland der Gesamtschuldenstand nicht mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung und die Neuverschuldung nicht mehr als 3 Prozent des BIP entsprechen darf. Teile dieser Vorgaben wurden in den späteren Stabilitäts- und Wachstumspakt übernommen und im Zuge der europäischen Staatsschuldenkrise im Rahmen des "Sixpack" um ein Frühwarnsystem für übermäßige makroökonomische Ungleichgewichte ergänzt.

Die Kriterien verfolgten das Ziel, einen - wie es der Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Mundell genannt hat - optimalen Währungsraum zu schaffen, ohne jedoch größere fiskalische Ausgleichsmechanismen zu etablieren. Ziel war es vor allem, die Konjunkturzyklen in den einzelnen Ländern anzugleichen und asymmetrische fiskalpolitische Schocks zu vermeiden, sodass eine einheitliche Geldpolitik ihre wirtschaftliche Stabilisierungsfunktion erfüllen kann. Eine Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise sowie einer Erweiterung der EU von 12 auf aktuell 27 Mitgliedsländer inklusive Brexit später zeigt sich, dass die europäische Wirtschafts- und Währungsunion nur bedingt funktionstauglich ist.

Eine EU im gefühlten Dauerkrisenmodus, in der die Europäische Zentralbank und die Geldpolitik mit sich teilweise widersprechenden Aufgaben überfrachtet wurden und wesentliche Institutionen aufgrund der vorgeschriebenen Einstimmigkeitsbeschlüsse bei sehr unterschiedlichen politischen Präferenzen schwerfällig und wenig handlungsfähig wirken, vermittelt nicht den Eindruck, für die großen Zukunftsherausforderungen gerüstet und geopolitisch relevant zu sein. Die Ukraine-Krise demonstriert dies aktuell eindrücklich. Möchte die EU wieder an Statur gewinnen, so sind große institutionelle Reformen auch über die Wirtschafts- und Währungsunion hinausgehend unabdingbar. Auch braucht die EU ein neues gemeinsames Zukunftsprojekt: Die Herausforderungen in der Klimapolitik scheinen dafür geradezu prädestiniert. Jedes einzelne Mitgliedsland ist für sich betrachtet in diesen Fragen zu klein, um im Konzert der Großen, wie den USA, China und mit Abstrichen Russland, mitkomponieren zu können.