Zum Hauptinhalt springen

Schlummernde Inflationsgefahren

Von Alexander Eberan

Gastkommentare
Alexander Eberan leitet das Private Banking Wien bei der Steiermärkischen Sparkasse.
© www.schubiduquartet.com / www.thomasraggam.com / Thomas Raggam

Die kommenden Monate bringen noch einiges an Spannung.


Der Krieg in der Ukraine wird sich wohl auf die Rohstoffpreise auswirken. Teure Energie und Rohstoffe sowie die weltweiten Lieferengpässe treiben die Inflation in die Höhe und den Investoren die Sorgenfalten auf die Stirn. Die Teuerung stößt aber heuer auf zwei zusätzliche schlummernde Gefahren: erstens die enorme Geldmenge, mit der die Wirtschaft in den vergangenen Jahren förmlich geflutet wurde, und zweitens mögliche hohe Lohnabschlüsse, da die Gewerkschaften die Teuerung in den Löhnen abgegolten haben wollen.

Die große Inflationswelle, die Österreich und ganz Europa zuletzt erfasste, nahm ihren Ausgang primär in einer importierten Inflation, da viele wichtige Rohstoffe im Ausland gekauft werden. Deren Großhandelspreise waren nahezu sprunghaft angestiegen. Dazu kam ein knappes Angebot, das nach der ersten Corona-Welle auf eine rasch erhöhte Nachfrage stieß. Die beiden Erstfaktoren der Inflation werden sich vermutlich im laufenden und im nächsten Jahr deutlich abschwächen, sodass man noch von gewissen Einmaleffekten ohne dauerhafte Auswirkungen sprechen kann. Die Jänner-Inflationszahlen zeigen auf Jahresbasis noch keine erhoffte Entspannung (USA: 7,5 Prozent, Deutschland und Österreich: je zirka 5 Prozent).

In den nächsten Monaten wird man das Augenmerk darauf richten müssen, ob zwei wesentliche Player - die EZB und die Gewerkschaften - den Preisauftrieb weiter befeuern oder mildern. Die EZB hat seit 2015 zur Bekämpfung deflatorischer Tendenzen Staatspapiere um rund 4,1 Billionen Euro gekauft und damit große Summen an Liquidität freigesetzt. Ihre ist bereits auf knapp 82 Prozent des BIP der Eurozone gestiegen. Bedeutende Teile dieses Geldes gilt es nun rechtzeitig einzuziehen, bevor es auf fruchtbaren Inflationsboden fällt. Die Geldmengeninflation gilt in der Literatur zwar als Inflationsart, allerdings weniger als Ausgangspunkt der Inflation, sondern als Beschleuniger einer bereits anderswo ausgelösten Preissteigerung. Gleichzeitig kommt den Gewerkschaften eine besondere Bedeutung zu. Starke Lohnerhöhungen im Rahmen einer Inflationsabgeltung oder darüber hinaus würden weitere Preissteigerungen induzieren. Eine klassische Lohn-Preis-Spirale wäre die Folge.

Diese beiden Inflationsmechanismen - Löhne und Geldmenge - haben die Tendenz "zu kommen, um zu bleiben". Weltweit haben die Notenbanken nun den nicht leichten Job, die Inflation im Lichte dieser Zweitrundeneffekte möglichst effektiv zu bekämpfen. Der Versuch, die Teuerungen mit - diskutierten, angekündigten oder wie in Großbritannien schon umgesetzten - kleineren Zinsschritten im Zaum zu halten, wird angesichts negativer Realzinsen von deutlich über 4 Prozent (Zinssatz minus Inflationsrate) womöglich nicht reichen.

Die Hyperinflation in Europa vor fast 100 Jahren macht die Menschen bei diesem Thema auch heute noch besonders sensibel, da damals Zigtausende ihr Vermögen verloren. Den meisten ist aber nicht bewusst, dass erst die Deflation der 1930er zur historischen Krise führte. Es ist ökonomischer Konsens, dass sowohl eine hohe Inflation als auch eine Deflation schädlich sind. Daher befürwortet die Mehrzahl der Ökonomen heute eine niedrige und konstante Inflationsrate.