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Raus aus dem fossilen Erdgas

Von Ulrike Famira-Mühlberger

Gastkommentare
Ulrike Famira-Mühlberger ist stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Die Zeit der kleinen Schritte und politischer Blockaden muss jetzt enden.


Es liegt eine Woche hinter uns, die wohl die meisten Menschen bis vor kurzem nicht für möglich gehalten haben. Wir sind besorgt über die weiteren Entwicklungen und vor allem sorgen wir uns um die ukrainische Bevölkerung. Der russische Krieg gegen die Ukraine macht uns zutiefst betroffen. Friede und Freiheit sind nicht nur die zentralen Grundwerte Europas, sondern auch die Basis für wirtschaftliche Prosperität.

Die Wirtschaftsforschung - allen voran das Wifo - wird die wirtschaftlichen Verwerfungen durch diese neuen Entwicklungen analysieren und Vorschläge für notwendige wirtschaftspolitische Maßnahmen entwickeln. Eine Sache ist jedoch bereits jetzt sonnenklar: Die europäischen Staaten - und damit auch Österreich - müssen möglichst schnell weg von russischen Erdgaslieferungen. Der Ausstieg aus dem fossilen Gas, der bis 2040 geplant war, muss beschleunigt werden. Es wird nicht von heute auf morgen gehen, aber wir benötigen sehr zeitnah einen Plan, wie es gelingt, aus Erdgas auszusteigen.

Der Großteil des Erdgases wird nicht von den österreichischen Haushalten benutzt, sondern von der Industrie, die Erdgas für hitzeintensive Prozesse benötigt (z.B. Schmelzen, Glühen, Härten, Verformen, Trocknen), allen voran die Metall-, Zement-, Glas-, Keramik- und Lebensmittelindustrie. Rund 80 Prozent des Erdgases, das in Österreich verwendet wird, kommen derzeit aus Russland. Das ist eine enorme Abhängigkeit von einem Land, das nicht mehr als Partner betrachtet werden kann.

Zurzeit sind die Gasspeicher ungefähr zu 18 Prozent voll, das ist wesentlich niedriger als in vielen anderen europäischen Ländern. Ein abrupter Stopp der Erdgaslieferungen aus Russland würde Österreich also stark treffen, auch wenn zusätzliche Mengen aus anderen Ländern - zu vermutlich sehr hohen Preisen - zugekauft werden könnten. Die Alternative Flüssiggas ist aufgrund des hohen Energiebedarfs in den Umwandlungsprozessen noch klimaschädlicher - und teuer - als herkömmliches Gas. Eine Diversifizierung des Gasbezugs ist angesichts der Klimakrise keine langfristige Lösung: der Ausstieg aus fossilem Gas muss nun beschleunigt werden.

Was ist zu tun? Es braucht Detailpläne und einen klaren Fahrplan, die mit klaren Zeitspannen sowie Kostenkalkulationen unterlegt sind. Dabei wird es nicht nur um den Ausbau von erneuerbarer Energie, Gebäudesanierungen (Dämmungen!) und Effizienzsteigerungen gehen müssen, sondern auch wie die Umrüstung der betrieblichen Anlagen und Heizungen in den Haushalten gelingen kann, vermutlich wird es eine Priorisierungsliste innerhalb dieser Transformation brauchen.

Klar ist, dass ein ganz schneller Umstieg nicht realistisch ist: dafür wird es viele Fachkräfte in Planung und Umsetzung benötigen, neue Regulierungen müssen geschaffen werden und alte müssen überarbeitet werden. Es gilt zu verhandeln, wer für diese Investitionen in welchem Ausmaß zahlt und inwiefern die öffentliche Hand hier unterstützt und es wird rechtliche Sicherheit benötigen für die zu tätigenden Investitionen. Eines ist klar: diese Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft hat nun oberste Priorität. Die Zeit der kleinen Schritte und politischer Blockaden muss jetzt enden.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.