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Ein neutraler Staat engagiert sich

Von Pamela Rendi-Wagner

Gastkommentare
Pamela Rendi-Wagner ist Klubobfrau der SPÖ.

Österreich hat eine besondere Verantwortung für den Frieden.


Seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine wird hierzulande auch über die Zukunft der Sicherheitspolitik Österreichs diskutiert. Soll Österreich der Nato beitreten oder doch die Neutralität aufrechterhalten? Führende ÖVP-Politiker sind ausgerückt, um die Neutralität abzuqualifizieren. Manche Kommentatoren sehen den Zeitpunkt eines Nato-Beitritts gekommen. Als ich mich öffentlich für die Beibehaltung der Neutralität ausgesprochen habe, wurden meine Aussagen von einem Journalisten gar als "widerlich" bezeichnet. Ich stehe zu meiner Haltung. Warum? Weil die Neutralität kein Ablaufdatum hat und Österreich seit 67 Jahren Sicherheit bietet.

Klar ist: Neutralität bedeutet nicht Gesinnungsneutralität, das heißt nicht, im Abseits zu stehen, wenn Völkerrechtsbruch geschieht und Angriffskriege vom Zaun gebrochen werden. Ich kritisiere das Vorgehen Russlands scharf und unterstütze selbstverständlich die Wirtschaftssanktionen der EU. Gleichzeitig bin ich in der grundsätzlichen sicherheitspolitischen Debatte der Meinung, dass die im Gesetz verankerte immerwährende Neutralität aufrechterhalten werden muss. Das ist kein Widerspruch. Denn Neutralität bedeutet immer, für Frieden und gegen Krieg einzutreten und sich für aktive, friedensstiftende Diplomatie einzusetzen. Das war im Kalten Krieg unsere Sicherheitsgarantie, die auch heute nichts von ihrer Aktualität verloren hat.

Im Kalten Krieg standen einander in Europa die schwer bewaffneten Bündnisse Nato und Warschauer Pakt gegenüber. Die neutralen Staaten übernahmen damals die schwierige und gewichtige Rolle der Vermittler in der einstigen KSZE (und heutigen OSZE, die in Wien beheimatet ist) oder auch als Gastgeber für Gipfeltreffen und Standort internationaler Organisationen. Diese Rolle wurde von den damaligen Großmächten USA und UdSSR nicht nur respektiert, sondern auch gewünscht. Die Abrüstungsabkommen SALT I (1972) und INF (1987) wurden in Wien, Helsinki, Stockholm und Genf verhandelt.

Heute gibt es zwar den Kalten Krieg nicht mehr, aber die USA, China und Russland kämpfen wieder um Einflusssphären. Neutrale Staaten wie Österreich dürfen nicht militärischer Teil dieser globalen und regionalen Auseinandersetzung sein. Unsere Neutralität stellt sicher, dass Österreich nicht gezwungen werden kann, die Positionen von militärischen Bündnissen zu übernehmen. Österreich erlaubt Großmächten nicht, auf seinem Territorium Stützpunkte zu errichten, wie das Bündnisstaaten tun. Und ein neutrales Land ist auch nicht gezwungen, Soldatinnen und Soldaten in deren Kriege zu schicken. Neutrale Staaten stellen für Großmächte keine Bedrohung dar, das stärkt unsere Sicherheit.

Wenn die Kritiker der Neutralität Österreich einen sicherheitspolitischen Trittbrettfahrer nennen, wird bewusst das große Engagement unseres Landes bei internationalen Friedensmissionen ausgeblendet. Österreich nimmt seit 1962 mit Soldatinnen und Soldaten an Einsätzen unter UNO-Mandat teil. Über Jahrzehnte hatte Österreich im Verhältnis zur Größe des Landes mehr Soldatinnen und Soldaten bei internationalen Blauhelm- oder EU-Missionen als viele europäische Länder, etwa Deutschland. Österreichs Bundesheer leistet als Friedensarmee Großartiges - ob im Nahen Osten, in Afrika oder am westlichen Balkan. Wir engagieren uns auch sehr stark in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, beispielsweise bei der EU-Mission Eufor Althea in Bosnien und Herzegowina.

Zur Neutralität zu stehen, heißt aber auch, zum Bundesheer zu stehen. Dieses muss so ausgestattet sein, dass es seine verfassungsmäßigen Aufgaben auch erfüllen kann. Wer Demokratie und Freiheit schützen will, darf nicht wehrlos sein.

Jeden Dienstag lesen Sie an dieser Stelle den Kommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.