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Die Gemeinden sollten jetzt nicht sparen

Von Mario Holzner

Gastkommentare
Mario Holzner ist Direktor des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und unterrichtet an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien.
© wiiw

Der Investitionsstau nach der Finanzkrise war ein Fehler, der sich nicht wiederholen darf.


Wie sehr die Wahrheit ein Kind ihrer Zeit ist, zeigte sich besonders im Umgang mit der Finanzkrise ab 2009. Während sich viele Staaten einer restriktiven Budgetpolitik verschrieben, schnürte Österreich den Gürtel etwas weniger eng. Deshalb brach hier das Wachstum auch weniger stark ein als in anderen Ländern der Eurozone. Trotzdem kam es auch in Österreich zu einem massiven Investitionsstau bei den Gemeinden. Selbst in Kommunen, die stark wuchsen, wurden Investitionen in Bildung, Verkehr oder Gebäudesanierungen auf die lange Bank geschoben.

Diesen Fehler sollten wir angesichts der wirtschaftlichen Verwerfungen durch den Ukraine-Krieg und einer noch immer nicht überwundenen Pandemie vermeiden. Gerade die Gemeinden können einen großen Beitrag dazu leisten, die fragile Konjunkturentwicklung zu stabilisieren, den Kampf gegen den Klimawandel zu forcieren und damit auch die Abhängigkeit von russischem Erdgas und anderen fossilen Energieträgern zu reduzieren. Die geostrategische Dimension der letzten beiden Punkte hat uns Russlands Präsident Wladimir Putin brutal vor Augen geführt.

Auf Gemeindeebene gibt es so manche tief hängende Frucht, die man ernten könnte. Beispiel Gebäude: In Österreich befindet sich fast die Hälfte der nutzbaren Wohnfläche in Häusern, die vor 1970 errichtet wurden. Mit thermischen Sanierungen ließe sich hier viel CO2 einsparen. Nebenbei könnte insbesondere in den Städten die Abhängigkeit von russischem Erdgas bei Heizung und Warmwasser beträchtlich verringert werden. Auch die Wohnkosten sind in den vergangenen Jahren rasant gestiegen - mit immer gravierenderen Folgen für Menschen mit niedrigem Einkommen. Investitionen in leistbaren Wohnraum könnten diese Problematik zumindest teilweise entschärfen und die Beschäftigung erhöhen.

Aufholbedarf gibt es auch beim öffentlichen Verkehr. In Kleingemeinden mit weniger als 500 Einwohnern wohnen derzeit weniger als 10 Prozent der Menschen in der Nähe öffentlicher Verkehrsmittel. In großen Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern sind es hingegen mehr als 90 Prozent. Besonders in den Umlandgemeinden und Vororten wäre eine Verbesserung der öffentlichen Verkehrsanbindung an die Großstädte sinnvoll.

Bei der digitalen Verwaltung und der Bildung besteht ebenfalls Handlungsbedarf. Nicht zuletzt auch im Gesundheitswesen, wo Corona die Defizite deutlich aufgezeigt hat. Es braucht mehr Pflegepersonal und eine bessere Bezahlung in den Krankenhäusern. Die Psychotherapiemöglichkeiten müssen ausgebaut werden, vor allem für junge Menschen.

Notwendig ist daher ein Paradigmenwechsel, wie er mittlerweile auch von Institutionen wie dem IWF oder der OECD angemahnt wird. In der Finanzkrise hat man gesehen, dass Sparpolitik das Wachstum nach der Krise abwürgt. Historisch betrachtet konnte sich noch kein Land jemals aus einer Wirtschaftskrise heraussparen. Natürlich ist das kein Plädoyer für ungebremstes Schuldenmachen. Aber wir brauchen Spielräume. Zukunftsinvestitionen von den Schuldenregeln auszunehmen und den Fetisch Nulldefizit endlich aufzugeben, könnte solche Spielräume schaffen.