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Kuchen oder Karriere: Frauen müssen sich entscheiden, Männer nicht

Von Sonja Spitzer

Gastkommentare
Sonja Spitzer ist Bevölkerungsökonomin am Wittgenstein Center der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Universität Wien und dem IIASA.
© Marie Stoiser

Auch skandinavische Regelungen bringen wenig, solange sie hierzulande auf verstaubte Rollenbilder treffen.


Männer in Österreich müssen sich nicht entscheiden. Sie können beides haben: Kind und Karriere. Während die Geburt eines Kindes für Frauen nach wie vor die größte Karrierehürde darstellt, hat sie auf das berufliche Engagement von Männern wenig Einfluss. Mütter erleben massive Einkommenseinbrüche, Väter hingegen haben kaum Einbußen oder verdienen sogar mehr. Diese Vaterschaftsprämie lässt sich nicht allein durch mehr Arbeitsstunden erklären, die bleiben nämlich oft gleich. Stattdessen ist anzunehmen, dass die Stundenlöhne von Vätern steigen, etwa, indem sie den Nachwuchs als Anlass nehmen, um höhere Gehälter zu verhandeln.

Bei Müttern hingegen knickt die Karriere. Am allermeisten im deutschsprachigen Raum: Nirgends sonst in Europa, so eine neue Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien, erleben Frauen nach der Geburt des ersten Kindes größere Einbrüche bei Gehalt und Beschäftigung. Während in Österreich lediglich 60 Prozent der Frauen zum zweiten Geburtstag ihres Kindes wieder arbeiten - meist Teilzeit -, finden in Nord- und Westeuropa mehr als 80 Prozent zurück in den Job, hauptsächlich Vollzeit. So erholen sich die Einkommen von Müttern auch zehn Jahre nach der Geburt nicht, was unter anderem später deutlich niedrigere Pensionen und ein größeres Risiko für Altersarmut bedeutet.

Warum sind die Unterschiede zwischen Österreich und anderen Ländern so frappierend? Klar ist, dass das Kinderbetreuungsangebot für kleine Kinder in anderen Ländern viel besser ausgebaut ist, vor allem auch auf dem Land. Das alleine erklärt aber nicht, weshalb Mütter in Österreich so viel weniger verdienen. Im Gegenteil: Es scheint sogar, als hätte der Ausbau der Kinderbetreuung in Österreich nur wenig Einfluss auf die Geschlechterkonvergenz.

Es genügt also nicht, skandinavische oder französische Regelungen auf den deutschsprachigen Raum anzuwenden, solange sie hier auf verfahrene Rollenbilder treffen. Neben institutionellen Rahmenbedingungen sind Normen nämlich besonders wichtig, wenn es darum geht, Unterschiede in den Einkommen zu erklären. Beispiele für verstaubte Geschlechterbilder in Österreich gibt es zur Genüge - hier sind vergleichsweise viele Menschen der Meinung, Frauen mit schulpflichtigen Kindern sollten zu Hause bleiben, und auch Parteichefs scheuen nicht davor zurück zu suggerieren, dass Frauen in die Küche gehören, oder genauer: kuchenbackend an den Wohnzimmertisch. Zudem funktioniert die aktuelle Arbeitsteilung für die eine Hälfte der Beteiligten sehr gut: Männer erleben keine Nachteile bei Beschäftigung und Einkommen, und durch öffentliche Beihilfen bleiben im Durchschnitt auch die Haushaltseinkommen relativ konstant, zumindest in den ersten Jahren nach der Geburt.

Spannender als die Frage "Warum brechen die Einkommen der Frauen so ein?" ist also eigentlich: "Warum brechen sie bei den Männern nicht ein?" Wollen diese keine Zeit mit ihren kleinen Kindern verbringen? Und: Was muss sich ändern, damit sie das wollen und können? Denn solange Väter nicht die (zweite) Hälfte der Kinderbetreuungszeit übernehmen, gibt es wenig Potenzial für Verbesserung.