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Wenn Worte zu Waffen werden

Von Cornelia Fink

Gastkommentare
Illustration: stock.adobe.com / Elena Pimukova
© Illustration: stock.adobe.com / Elena Pimukova

Wir alle wünschen uns Frieden. Und doch prägt Kriegsrhetorik unseren sprachlichen Alltag.


Unsere Sprache entstand nicht zuletzt in intensiven Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen, als unsere Vorfahren Wörter finden mussten für das, was ihnen so alles "um die Ohren flog". Bis heute füttern wir - unbemerkt - den Krieg durch unsere Worte. Das, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, verstärken wir. So lautet eines der großen Energiegesetze. Was wir aussprechen, wird zu unserer Realität, weil das Unterbewusstsein davon ausgeht, dass das, was wir sagen, das ist, was wir uns wünschen. Wir "kriegen"(!) also immer, was wir erwarten. Je mehr Kriegsvokabular wir benutzen, umso stärker wird eben dieses "Feld". Wir holen es immer wieder in unser Leben.

Vielleicht ist es Zeit, umzudenken und einen Beitrag zum Frieden auch durch eine Veränderung unserer Sprachgewohnheiten zu leisten. Wie wäre es, das verbale "Kriegsbeil zu begraben" und bewusst eine wertschätzende, aufbauende, friedliche Sprache zu wählen? Denn wie man in den Wald hineinruft, so schallt es bekanntlich zurück.

Machen wir ein kleines Experiment: Um diese Aufgabe "in Angriff" zu nehmen, drehen wir doch einmal "den Spieß" um. Vielleicht weckt die spielerische Herausforderung den "Kampfgeist", die eigene Sprache etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und die eine oder andere Veränderung zu wagen.

"Das Leben ist ein täglicher ‚Kampf‘" - diesen Glaubenssatz haben viele tief verinnerlicht; und die Medien tun ihr übriges. In den Märkten herrscht ständig "Krieg". Nahezu täglich kommt ein neuer "Nebenkriegsschauplatz" dazu. Und denken wir nur an die "Wahlkämpfe" weltweit. Da fallen sich die Sieger am Ende in die Arme und werden von einer Horde Journalisten "mit Fragen bombardiert". "Wie aus der Pistole geschossen" sprechen sie in die Kameras, "wie hart" sie sich diesen Sieg "erkämpft" haben. Viele sehen auch "abgekämpft" aus.

Mancher erinnert sich dann an die "Wortgefechte", in denen "die Fetzen geflogen" sind, und welche Argumente schließlich "den Ausschlag" gegeben, den Gegner "außer Gefecht gesetzt" und "vernichtend geschlagen" haben. Und sie erinnern daran, wo der Gegner "den Bogen überspannt" hat. In den nachfolgenden Diskussionsrunden beziehen die Gewinner, die nun "an vorderster Front" stehen, "Stellung", führen noch einmal ihre wichtigsten "Argumente ins Feld" und bekräftigen die Vorhaben, die sie jetzt als erste "in Angriff" nehmen werden.

Es herrscht eine "Bombenstimmung". Man spricht über "Volltreffer", macht einen "Vorschlag" nach dem anderen und lässt sich vom Kellner noch einen "Nachschlag" bringen. Es wird darüber beraten, wer jetzt "die Aufgabe bestreiten" soll, dafür zu sorgen, dass "ein Schuss nicht nach hinten losgeht". Es gilt vor allem, "das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren".

Eigene Sprache verändern

Wie oft begegnen wir unserem Gegenüber mit einem "entwaffnendem Lächeln", oder sagen, wenn uns etwas interessiert, ganz selbstverständlich: "Schieß los!" Wir "nehmen jemanden in Beschlag" oder "schlagen die Zeit tot", wir "klären die Fronten", "beziehen Stellung" oder "sitzen auf einem Pulverfass". Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Zugegeben, es ist nicht ganz einfach, die eigene Sprache zu verändern, kommt sie uns doch oft ganz unbewusst über die Lippen. Und doch lohnt es sich, die Kontrolle darüber wiederzuerlangen. Es ist erstaunlich, wie schnell sich Beziehungen, das eigene Umfeld und man selbst mit friedlicher Ausdrucksweise wandeln können.

Marshall Rosenberg hat dazu in seiner "Gewaltfreien Kommunikation" vier Schritte erstmals vorgestellt:

1. Beschreibe, was dich stört, ohne es zu bewerten.

2. Identifiziere, welches Gefühl das, was geschieht, bei dir auslöst - und vermeide dabei interpretierende Gefühle, die das Gegenüber als Unterstellung hören könnte.

3. Erkenne dein Bedürfnis, das dahinter steht.

4. Äußere eine Bitte, anstatt eine Forderung zu stellen.

Kommunikationsprobleme entstehen immer, wenn sich jemand "angegriffen" fühlt. Dann kommt es zu emotionalen Reaktionen, zu "Verteidigung" oder "Gegenangriff" - schon sind wir im Krieg. Sich der eigenen Bedürfnisse bewusst zu werden, eigene Gefühle zu äußern und zu beschreiben, welches Verhalten sie ausgelöst hat, ohne einen versteckten Angriff durch die Wortwahl, wirkt Wunder. Und einer Bitte lässt sich leichter Folge leisten als einer Forderung. So entsteht ein konstruktiver Dialog, der auf Verständnis aus ist und nicht auf Rechthaberei. Worte wirken Wunder oder werden zu Waffen - "treffender" kann man es nicht formulieren.