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Ernährungssicherheit versus Biodiversität?

Von Gerald Pfiffinger

Gastkommentare
Gerald Pfiffinger ist Geschäftsführer des Umweltdachverbands.
© Klaus Ranger

Für Insekten wichtige Brachflächen sollen geopfert werden. Aber es geht auch anders!


Die EU-Kommission will die Nutzung von Brachflächen im kommenden Jahr nun doch erlauben. Und Österreich zieht der fehlgeleiteten EU-Agrarpolitik nach: Bunte Brachflächen für Bestäuberinsekten sollen unter dem Vorwand der Ernährungssicherheit geopfert werden - ein herber Rückschlag für die Biodiversität! Mit dieser katastrophalen Entwicklung wird die wichtigste länderübergreifende Biodiversitätsmaßnahme in der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP 2023 bis 2027) schon im ersten Jahr wieder geopfert!

4 Prozent Blühflächen sollten europaweit wieder mehr Insekten und damit wichtige Bestäuber in die ausgeräumten europäischen Agrarlandschaften bringen. Nun ist eine der wenigen wirksamen umweltpolitischen Vorgaben der EU vorerst Geschichte. Österreich hat im Rahmen der zweiten Säule der GAP freiwillig sogar zusätzliche Maßnahmen gesetzt, um die Situation für die Bestäuberinsekten und die Biodiversität weiter zu erhöhen: Als Ziel im Österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft (Öpul) werden 10 Prozent Landschaftselemente und Blühflächen genannt. Umso frustrierender ist es jetzt, dass Österreich der EU in puncto Brachflächennutzung nachzieht und 4 Prozent Blühflächen für die Produktion freigibt. Für unsere Landwirte könnte es sich unter diesen Voraussetzungen nicht mehr rentieren, die nach wie vor freiwillig buchbaren Öpul-Maßnahmen zur Schaffung von 7 Prozent Blühflächen umzusetzen. Denn die Prämien wurden unter der Annahme kalkuliert, dass 4 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen europaweit verpflichtend als Brachen anzulegen sind und die darüber hinausgehenden 3 Prozent abgegolten werden. Die 4-Prozent-Verpflichtung fällt nun weg, und damit verringert sich auch der Anreiz, mehr Buntheit in die Landschaft zu bringen. Darunter werden Biodiversität und Bestäuberinsekten leiden. Letztlich zerstören wir damit unsere eigenen Lebensgrundlagen!

Außerdem wissen wir aus der Erfahrung des heurigen Jahres, dass statt Getreide für Hungernde vor allem Viehfutter produziert wurde. Wer die Ernährungssicherheit stärken und die Klimaerwärmung stoppen will, muss woanders ansetzen. Nicht nur in Hinblick auf die Ernährungssicherheit ist eine nachhaltige Agrarwende wichtiger denn je. Es braucht auch eine klimafitte, energieeffiziente, emissionsarme Landwirtschaft. Und das bedeutet Qualität statt Quantität, vor allem in der Fleisch- und Milchproduktion. Jedenfalls ist sicherzustellen, dass heimische Betriebe die Blühflächen im Öpul wie geplant in Anspruch nehmen, damit zumindest die Biodiversität in Österreich nicht darunter leidet. Aber auch ein Verbot des Anbaus von Viehfutter auf Brachflächen sowie die Abkehr von der Massentierhaltung und eine Reduktion der Fleischproduktion werden entscheidend sein. Österreich darf den agrarpolitischen Irrweg der EU nicht mitgehen. Denn den Welthunger wird diese Maßnahme sicher nicht stillen, jedoch die wichtigen Bestäuber aus der Landschaft verbannen.

Die Garanten auf dem Weg in eine langfristige unabhängige Ernährungssicherheit sind gesunde Naturräume, kleinstrukturierte Landwirtschaft und regionale Wertschöpfung. Nur so wird die Ernährungssicherheit verbessert.