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Senioren bei der Digitalisierung nicht diskriminieren

Von Markus Nutz

Gastkommentare
Markus Nutz ist Geschäftsführer der Digitalagentur Spinnwerk.
© Bernhard Schramm

Unternehmen stehen in der Verantwortung, auch die älteren Generationen als User ernst zu nehmen.


Wir alle haben es 2020 mit dem Beginn der Corona-Pandemie gesehen: Es kann schnell gehen, dass die ganze Welt plötzlich auf digitale Kommunikation angewiesen ist. Ältere Menschen gehören sowohl zu den gefährdetsten Risikogruppen der Pandemie als auch zu jener Kohorte, die mit kontaktlosem Online-Shopping, Video-Calls und anderem vor den größten technischen Herausforderungen steht. Spätestens hier wird deutlich: Ältere Menschen dürfen nicht länger aus dem digitalen Raum ausgeschlossen werden. Man muss sie mitdenken und Websites, Apps und Social-Media-Plattformen so gestalten, dass alle Menschen sie nutzen können. Mit einer besseren Benutzerfreundlichkeit wird nämlich niemand diskriminiert.

"Digital Natives" machen sich mitunter über die "Boomer" oder ältere Generationen lustig, die nicht wissen, wie sie Computer oder Smartphones zu bedienen haben. Dass der digitale Raum sich rasch verändert, ist kein Geheimnis - jedoch verändert er sich nur zugunsten der jüngeren Generationen. Jede neue Funktion auf Social-Media-Plattformen oder "innovative" - vielleicht auch irreführende - Menüführung auf Websites und Apps schließt ältere Menschen weiter aus. Das Problem liegt also nicht bei den Senioren und ihrem vermeintlichen Mangel an Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen. Würden die Verantwortlichen für digitale Medien und Inhalte die Bedürfnisse älterer Menschen besser erkennen und ernst nehmen, könnten Senioren eine Vielzahl von digitalen Angeboten nutzen, die ihnen jetzt noch verwehrt bleiben.

Oft haben Senioren nicht mehr dieselben physischen, kognitiven und neurologischen Fähigkeiten wie junge Leute. Das Kurzzeitgedächtnis, die motorischen Fähigkeiten und auch die Sehleistung bauen mit dem Alter ab. Dazu kommt, dass Senioren häufig Endgeräte mit veralteten Technologien benutzen. Aber auch auf diesen veralteten Geräten muss die Benutzerfreundlichkeit von Apps und Websites gesichert sein. Dazu gehören gut lesbare Texte und eindeutige Schaltflächen, die geräteübergreifend gut zu treffen sind. Wichtig ist auch, dass das Kurzzeitgedächtnis nicht überstrapaziert wird. Es gilt: Wiederkennung ist besser als Erinnerung. Außerdem müssen Nutzer jederzeit wissen, wo sie sich gerade befinden. Als positives Beispiel hierfür ist die Website der Ärztekammer Wien zu nennen.

Mit dem "European Accessibility Act", dem Europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit, tritt ab 2025 eine EU-Richtlinie in Kraft, die Anforderungen an die Barrierefreiheit unterschiedlicher Dienstleistungen und Produkte europaweit standardisieren wird. Österreichs Unternehmen dürfen allerdings nicht bis 2025 darauf warten, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Die Benutzerfreundlichkeit für ältere Menschen auf Websites, Apps und Social Media jetzt schon zu verbessern, schafft eine Win-Win-Situation für Nutzer und Unternehmen, da Letztere ansonsten einen großen Teil der Bevölkerung als Zielgruppe diskriminieren und außerdem leichter bedienbare Websites und Apps einen Mehrwert für alle - nicht nur für Senioren - darstellen.