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Sprache, Recht und Nachhaltigkeit

Von Daniel Green und Laura Levstock

Recht
Selbst der Oberste Gerichtshof beschäftigte sich 2015 bereits mit der Frage nach der "Ermittlung der Nachhaltigkeit einer Vereinbarung.
© Andrey Popov - stock.adobe.com

Welche Rolle Sprache im Umwelt- und Nachhaltigkeitsrecht spielt und was das für den Klimaschutz bedeutet.


Sprache spielt im Umweltrecht eine tragende Rolle. Der Klimawandeldiskurs zeigt deutliche Schnittmengen mit Umwelt-, Risiko- und Technikdiskursen, mit denen sich unterschiedliche, wissenschaftliche Disziplinen beschäftigen. Unter anderem Medien-, Politik-, Sprach-, Rechtswissenschaften und die Soziologie perspektivieren die Querschnittsmaterien des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit.

Zu diesem Thema lud vor Kurzem auch das Juridicum Wien in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Rechtslinguistik (ÖGRL) zu einer Diskussion mit dem Titel "Sprache, Recht und Klimaschutz" ein. Christian Piska (Universität Wien), Reka Krasznai (Haslinger/Nagele Rechtsanwälte), Berthold Linder (Lindner Stimmler Rechtsanwälte), Daniel Green (ÖGRL, WU Wien) und Laura Levstock (ÖGRL, Association of Emerging Linguists) beschäftigen sich mit den Ausprägungen des klimaschutzrechtlichen Diskurses unter Beachtung neuerer Entwicklungen in Österreich. Dabei standen Fragen im Vordergrund wie:

Welche sind die aktuellen Herausforderungen für die Gesetzgebung in Hinblick auf die gegenläufigen Interessen der Akteure?

Kann der diskursive Raum zwischen Überschreitung und Einschränkung durch den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung gefüllt werden?

Wie werden die Konzepte der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit von umweltrechtlichen Maßnahmen diskursiv hergestellt?

Dass sich die Erde in einer klimatischen Notlage befindet, ist kein Phänomen, das erst seit Kurzem ein Faktum darstellt. Seit Jahrzehnten weisen Umweltorganisationen, Forschende und Klimaaktivisten darauf hin, dass der Klimawandel und die Umweltverschmutzung brisante Folgen mit sich tragen. Besonders aber in den vergangenen Jahren wurde dem Thema größere Bedeutung zugeschrieben.

So muss etwa auch nicht aufs Neue belegt werden, dass das Thema Nachhaltigkeit ein zentrales ist. Die Art und Weise, wie wir Nachhaltigkeit konstruieren und versprachlichen, hat sich aber verändert. Beispielsweise wurden in der "Wiener Zeitung" in den Jahren 2011 bis 2022 (Stichtag: 9. August 23 Uhr) 171 Onlinebeiträge mit dem Schlagwort "Nachhaltigkeit" veröffentlicht. Besonders ausschlaggebend ist der Anstieg der Veröffentlichung der Onlinebeiträge ab 2015. So erschienen 2015 drei und 2022 bisher 15 Beiträge. Nachhaltigkeit ist nicht nur das dritthäufigste Hauptwort in diesen Beiträgen mit teils sehr unterschiedlicher thematischer Ausrichtung.

Die vielen Gesichter des Nachhaltigkeitskonzepts zeigen Nuancierungen, die durch die tiefergehende Befassung mit dem Gebrauch des Begriffs durchaus von Interesse sein können. Eine kurze Analyse der 171 bisher erschienenen Onlinebeiträge zeigt etwa, dass die Wortform ‚Nachhaltigkeit‘ in fast 70 verschiedenen zusammengesetzten Nomen (Komposita) auftritt. Zu den häufigsten Wortformen gehören Nachhaltigkeitsberichterstattung, -risiken und -recht.

Ziele, Risiken und das Nachhaltigkeitsrecht

Besonders aus der Anzahl der Komposita lässt sich lesen, dass der Terminus in unterschiedliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens eingedrungen ist. Es gibt Personen, die versuchen, sich Wissen zu Nachhaltigkeit anzueignen und solches zu produzieren: Nachhaltigkeitsforscherinnen und -experten. Es gibt eine Art und Weise, Wissen zu Nachhaltigkeit weiterzugeben: Nachhaltigkeitsberichterstattung, -informationen und Ähnliches. Es gibt Ziele, die es zu erreichen gilt und Risiken. Schließlich gibt es auch das Nachhaltigkeitsrecht, durch das diese Ziele normativ erreicht werden sollen.

Berthold Hofbauer und Markus Beham stellten 2021 in de "Wiener Zeitung" fest, dass der Nachhaltigkeitsbegriff "Teil unseres täglichen Sprachgebrauchs geworden" ist und wiesen darauf hin, dass seine Verwendung "von der schlichten Längerfristigkeit bis hin zu konkreten umweltpolitischen Zielsetzungen" reichen kann. Der Blick auf die gebrauchshäufigsten Nomen in den Onlinebeiträgen scheint acht verschiedene Tendenzen in der Benennung zu offenbaren.

Zum einen ist da der Topos der Information, etwa in Begriffen wie Nachhaltigkeitsberichterstattung oder -forschung. Doch auch andere Topoi finden sich in den Onlinebeiträgen, zum Beispiel der Topos der Standardisierung in Begriffen wie Nachhaltigkeitsrecht, -kriterien oder -zertifikat. Der Topos der Konsensualisierung spielt ebenfalls eine Rolle und lässt sich in der Verwendung der Formen wie Nachhaltigkeitsstrategie, -präferenzen oder -gipfel nachweisen. Zuletzt lässt sich der Topos der Finanzierung herausarbeiten, der in Formen wie Nachhaltigkeitsfonds oder -preise dokumentiert ist.

Wie eben anhand des Terminus Nachhaltigkeit illustriert wurde, hat das Thema Klima und Umwelt an medialer Präsenz gewonnen. Es ist also sicher kein Zufall, dass dieses auch bei den politischen Entscheidungstragenden prominenter wird. So war etwa das Klimaticket eines der Schlagworte der vergangenen Monate, aber auch Diskussionen um den Klimabonus und um ein eventuelles Verbot von Gasthermen rücken ins Zentrum. Damit einher gehen Diskussionen um Umweltrecht, um Angemessenheit, Verhältnismäßigkeit, aber auch Umsetzbarkeit der Maßnahmen des Gesetzgebers. Dabei macht sich die Sorge breit, manche von diesem gewünschten Maßnahmen könnten zu sehr in die persönliche Freiheit der Bürgerinnen eingreifen.

Klimaneutralität nicht immer leistbar

Ist es aber rechtmäßig, hier maßgebliche gesetzliche Änderungen vorzunehmen, wenn die Maßnahmen die Gesundheit schützen sollen, etwa zur Emissionsreduktion? Oder ist hier individuelle Eigeninitiative und -verantwortung gefragt? Eigeninitiierte Maßnahmen, die zum Klimaschutz beitragen sollen, sind aber oft nicht allgemein leistbar: etwa das Einrichten von Photovoltaikanlagen oder das Umsteigen auf E-Autos. Selbst für das Klimaticket müssen ca. 1.100 pro Jahr vorhanden sein. Die Leistbarkeit von Klimaneutralität ist in Österreich also keine Selbstverständlichkeit.

Wie über Klimaschutz und Nachhaltigkeit gesprochen wird, ist somit genauso wichtig, wie dass darüber gesprochen wird. Um Lösungen zu finden, muss überlegt werden, wer angesprochen werden soll und wie man ihn erreicht. Wie kann man Interesse wecken und so viele wie möglich miteinbeziehen? Wie wir über etwas sprechen, beeinflusst, wie wir über etwas denken. Ja, es lohnt sich, sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass wir in den Grenzen unserer Sprache über Sprache nachdenken, und das trifft wohl auch auf die Konstruktion und Dekonstruktion des Nachhaltigkeitskonzepts zu.

Es gibt viele weitere Formen, die einer gründlichen Reflexion zur Beziehung von Sprache und Denken bedürfen. Etwa der Gebrauch der Begriffe Nachhaltigkeitstransformation, -transparenz oder -wende, die die sprachliche Perspektivierung auf "Umwelt, Mitwelt, Nachwelt" (Altner 1985) aufs Neue zu bestätigen scheint. Aus rechtslinguistischer Perspektive stellt sich die spannende Frage, ob sich im Stufenbau der rechtssprachlichen Bedingtheit Bedeutungsnuancierungen von nachhaltig und/oder Nachhaltigkeit nachweisen lassen und wie diesfalls mit der eindeutigen Mehrdeutigkeit der Begriffsverwendung umgegangen werden soll. Der Oberste Gerichtshof beschäftigte sich 2015 mit der Frage nach der "Ermittlung der Nachhaltigkeit einer Vereinbarung" (7Ob53/14s). Es wird sich zeigen, wie sich Begriffskern und Begriffshof der Nachhaltigkeit in der Rechtssprache konventionalisieren. Die Auslegung des Nachhaltigkeitsbegriffs braucht mitunter wohl Flexibilität.

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