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Ein Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Die Rolle der "Hausärzte" im Gesundheitswesen ist bis heute schwammig.


Warum die Einführung eines Facharztes für Allgemein- und Familienmedizin eine Weiterentwicklung des Gesundheitswesens sein könnte, versteht kaum jemand - sie könnte es aber tatsächlich sein. Aktuell ist der Allgemeinmediziner ein völlig undefiniertes Wesen - überspitzt formuliert, darf er praktisch alles. Das kommt aus der Nachkriegszeit, als Österreich viele Ärzte hatte. Im Krieg waren viele gebraucht und quasi am Fließband ausgebildet worden. Nach dem Krieg gab es daher einen Überschuss.

Was aber damals wie heute ein Problem war, war die flächendeckende Versorgung mit Fachärzten. Und so hat man den "Hausärzten" eben alles erlaubt. Sie hatten Röntgengeräte, führten Geburten und Abtreibungen durch, operierten in Vollnarkose etc. Mit dem "Dr. der gesamten Heilkunde" oder eleganter "Dr. medicinae universae" war praktisch das Recht verbunden, so gut wie alles zu tun.

Spätestens ab den 1970ern, als Forschung und Spezialisierung zunahmen, war das eigentlich obsolet. Aber eben nur eigentlich. Denn wir ändern nur ungern etwas. Der "Dr.med.univ." ist daher auch heute noch ein undefinierter "Alleskönner" und "Allesmacher" ohne klares Profil oder klare Rolle im Gesundheitswesen. Und so darf es nicht verwundern, dass sich die meisten mit Homöopathie, Ästhetischer Chirurgie, TCM und was sonst noch verdingen. Ein Blick auf die Leistungsangebote der "Hausärzte" zeigt das deutlich. Und nur so nebenbei: Es gibt davon etwa 14.000, aber nur 4.000 davon haben einen Kassenvertrag - 10.000 wollen keinen, weil das System nicht weiß, was es von ihnen will, und es besser ist, sein eigenes Ding zu machen.

Was auf der Strecke blieb, war die Entwicklung einer modernen Gesundheitsversorgung. Und um nun eine solche zu ermöglichen, wäre ein Schritt, die Ausbildung, Kompetenz und Rolle der "Hausärzte" im Gesundheitswesen zu definieren. Eine Facharztausbildung macht das möglich - auf den ersten Blick - und nur auf den ersten.

Denn wenn wir uns anhören, was der "neue" Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin alles machen soll (das Aufgabengebiet umfasst die primäre Gesundheitsversorgung, insbesondere die ganzheitliche, kontinuierliche und koordinative medizinische Betreuung; beinhaltet ist die Gesundheitsförderung, Krankheitserkennung und Krankenbehandlung einschließlich der Einleitung von Rehabilitations- und Mobilisationsmaßnahmen aller Personen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Art der Erkrankung, unter Berücksichtigung des Umfelds der Person, der Familie, der Gemeinschaft und deren Kultur), wird sofort klar, dass dafür eine Verfassungsänderung nötig wäre. Ja, eine Verfassungsänderung, weil praktisch für jede einzelne Aufgabe im System jemand anderer zuständig ist. Die Fragmentierung des Systems lässt nicht zu, dass so ein Facharzt seine Aufgaben erledigt. Das weiß der Gesundheitsminister natürlich - und alle anderen, die das so beschlossen haben, wissen es auch.

Wagen wir einen zweiten Blick, erkennen wir: Mit dieser Reform wird die verpflichtende Ausbildungszeit der Jungärzte im Spital wie auch in der Lehrpraxis länger. Und weil Lehrjahre keine Herrenjahre sind, wird am Ende also nur die billige Arbeitskraft junger Ärzte mehr. Das ist sicher keine Weiterentwicklung, aber trotzdem ein tolles Ziel für Politiker.