Zum Hauptinhalt springen

Eine kleine Corona-Selbstkritik

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Das absehbare Ende der Pandemie ist ein guter Zeitpunkt, um eigene Fehler zu analysieren.


Mit ein bisschen Glück ist die Corona-Pandemie jetzt, nach fast drei Jahren, mehr oder weniger Geschichte. Corona wird zwar bleiben, aber (hoffentlich) immer mehr einer Art Grippe ähneln. Das wäre ein ganz guter Anlass für Politik und Medien, selbstkritisch zu analysieren, was sie in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich falsch gemacht haben und was richtig. Das könnte erstens einen Teil jener Glaubwürdigkeit zurückbringen, den sowohl Politiker als auch Journalisten in dieser Zeit eingebüßt haben. Und zweitens ein gewisses Learning für vergleichbare Krisen in Zukunft bereitstellen.

Vielleicht wäre es ein tauglicher Anfang, wenn sich Befürworter möglichst strenger Maßnahmen und Anhänger einer ganz entspannten Corona-Politik darauf einigen könnten, dass beide Seiten nicht ganz unrecht hatten - aber auch keine völlig recht. Die Wahrheit dürfte irgendwo in der Mitte gelegen sein. Wo genau diese Mitte zu verorten ist, das ist die eigentlich spannende Frage.

Ich selbst zum Beispiel - und bei sich selbst mit der Kritik zu beginnen, kann nie falsch sein - war immer ein Verfechter einer relativ harten Corona-Politik, aber auch immer ein Gegner der Impfpflicht. Letzteres dürfte auch aus heutiger Sicht eine richtige Position gewesen sein, bei Ersterem bin ich mir hingegen nicht mehr so sicher. Denn immer mehr Indizien weisen neuerdings darauf hin, dass Österreich eine in manchen Aspekten zu drastische Corona-Politik betrieben hat, ohne dadurch Menschenleben in signifikanter Anzahl gerettet zu haben. Was übrigens auch für Deutschland gelten dürfte, nicht aber für die Schweiz. So blieben laut einer Statistik der Schweizer Regierung die Schulen in den entscheidenden ersten eineinhalb Jahren der Pandemie in Bern lediglich acht Wochen geschlossen, während in Wien die Klassenzimmer 21 Wochen lang leer blieben - ein für das Wohl der Kinder nicht unerheblicher Unterschied.

Nicht nur die Schulen blieben in Österreich lange - vermutlich zu lange - geschlossen, auch sonst setzte die Republik auf wesentlich längere Lockdowns als die Schweiz, ohne dass sich dies in der Sterblichkeitsstatistik signifikant niedergeschlagen hat. Wohl aber ökonomisch. Während die Wirtschaft 2020 hierzulande um 6,7 Prozent schrumpfte, lag das Minus in der Schweiz bei nur 2,4 Prozent. Nicht zuletzt, weil Gastronomie und Hotellerie dort meistens offen halten durften.

Gleichzeitig verbuchten wir aber im Vergleich mit Deutschland und der Schweiz eine höhere Übersterblichkeit - "Österreichs fatale Corona-Bilanz" nannte der Ökonom Martin Halla das jüngst im Magazin "Pragmaticus". Und: "Leider fand bisher kaum eine Debatte darüber statt, dass Österreich bei der Pandemiebekämpfung im Vergleich zu Deutschland, aber vor allem zur Schweiz viel schlechter abgeschnitten hat. Vergangene Fehler drohen sich somit zu wiederholen - auf Kosten von uns allen und vor allem der Jungen."

Dass Politik und auch Medien da teilweise falsch lagen, mag gute Gründe gehabt haben. Diese jetzt nicht offenzulegen und zu beschreiben, welche Fehler passiert sind und was daraus gelernt werden kann, ist hingegen wirklich nicht zu begründen.