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Agenda 2030

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Warum es uns nicht gelingen kann, attraktiv für jene Migranten zu werden, die wir brauchen.


Gefragt, wie Österreich im Jahr 2030 seiner Meinung nach aussehen solle, antwortete Andreas Treichl, langjähriger Chef der Erste-Bank, jüngst im "Standard": "Österreich sollte ein Land sein, das alle Voraussetzungen dafür hat, dass junge Menschen aus der ganzen Welt (...) hierherkommen und bei uns arbeiten wollen. Und wir uns aussuchen können, welche wir aufnehmen. Wenn uns das gelingt, hat es Österreich geschafft." Das ist grundsätzlich vollkommen richtig. Wenn in Österreich immer weniger Menschen geboren werden, dann ist die Zuwanderung qualifizierter Personen notwendig, um die Wirtschaftsleistung nicht abstürzen zu lassen. Wobei der Begriff "qualifiziert" rot unterstrichen werden muss; an wenig qualifizierter Zuwanderung herrscht ja kein Mangel.

Nimmt man aber Treichls Aussage ernst, muss man als erstes fragen: Was ist die Ursache dafür, dass viel zu wenige qualifizierte junge Menschen aus anderen Ländern bei uns arbeiten oder gar ein Unternehmen gründen wollen? Und was muss sich eigentlich alles ändern, um unser Land für jene Zuwanderer attraktiv zu machen, die wir brauchen und wollen? Diese Agenda 2030 wird wohl viel radikaler sein müssen, als der Mehrheit der Bevölkerung angenehm ist, und das ist der Kern des Problems. Denn niemand wird hierherkommen, um im internationalen Vergleich viel zu hohe Steuern und Abgaben zu zahlen, um einen Generationenvertrag zu erfüllen, von dem nicht die eigenen Eltern profitieren, sondern Fremde. Niemand wird hierherkommen, um in Wien ein Jahr auf einen ersten Termin bei der für Einbürgerungen zuständigen Behörde warten zu müssen; ein Vorgeschmack auf die bürokratischen Schikanen, die ihn oder sie dann ein ganzes Leben begleiten werden. Niemand wird hierherkommen, um später als allenfalls erfolgreicher Unternehmer Gegenstand von Neid, Hass und Enteignungsfantasien zu werden.

Es ist, wenn man ins Detail geht, eine ziemlich lange Liste ausreichend abschreckender Umstände, die effizient verhindern, dass hochqualifizierte junge Menschen aus der ganzen Welt nach Österreich kommen, um hier zu arbeiten und allenfalls Unternehmen zu gründen. Wer das politisch wirklich will, wird sich anschauen müssen, welche Staaten heute die begehrtesten Destinationen für die talentierten Migranten sind: vor allem die USA, aber auch Kanada, Australien, teilweise Großbritannien. Also allesamt Staaten, die wesentlich kapitalistischer organisiert sind als unser Land - ein schlankerer Sozialstaat, mehr Chancen, aber auch weniger Sicherheit für die Zuwanderer.

Und genau deshalb ist die nicht nur von Treichl zurecht geforderte Agenda 2030 im wirklichen Leben kaum realisierbar: Eine Gesellschaft, die so organisiert ist, dass sie für die jungen Leute attraktiv genug ist, die wir brauchen, will die große Mehrheit der älteren, extrem sicherheitsaffinen Alteingesessenen nicht. Ein Stück mehr wie die USA werden - damit verliert man Wahlen hier mit höchster Zuverlässigkeit. Weshalb wir auch weiter darüber diskutieren werden, warum nur die falschen Migranten kommen - und die richtigen weiterhin zu anderen Zielen aufbrechen werden.