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Der Kapitalismus und der Klimawandel

Von Peter Rosner

Gastkommentare
Peter Rosner war a.o. Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien (Buchtipp: "Reden wir über Ökonomie", Verlag Metropolis).
© www.orange-foto.at

Nur in ökonomisch schlechten Zeiten kann mehr Klimaschutz die Wirtschaft relevant ankurbeln.


Der Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und dem Wirtschaftswachstum der vergangenen zwei Jahrhunderte wird heute kaum bestritten. Wir sind reich geworden und haben dabei große Gefahren für die Zukunft bewirkt. Was tun?

Zwei Ansätze gibt es: Der erste ist eine Reduzierung der Emissionen durch neue Technologien. Der Staat hat die Aufgabe, durch Regulierungen und Förderungen die notwendigen Veränderungen zu bewirken. Wirtschaftswachstum zu verhindern, ist kein Ziel, sondern grünes Wachstum.

Der andere Ansatz sieht vor, durch ein geändertes Verhalten der Bevölkerung den Konsum und damit auch die Produktion zu begrenzen. Das kann vom Staat unterstützt werden. Häufig wird dabei eine Reduktion des Wirtschaftswachstums gefordert oder gar dessen Ende.

Es sind beide Ansätze notwendig. Viele Produktionstechnologien müssen verändert werden und wurden auch bereits verändert, etwa für mehr Energieeffizienz. Aber ohne Veränderungen vieler Lebens- und Konsumgewohnheiten wird der Erfolg gering bleiben. Der hohe Fleischkonsum in den reichen Staaten ist ein Beispiel.

Technologische Veränderungen zum Klimaschutz verlangen erhebliche Investitionen. Dasselbe gilt für viele Voraussetzungen einer Verhaltensänderung beim Konsum, zum Beispiel für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Die damit verbundenen Kosten sind Einkommen der dabei beschäftigten Arbeitskräfte und Profite bei den Eigentümern der Kapitalgüter - zum Beispiel der Windparkbetreiber. Die Folge: Die Wirtschaft wächst.

Die für eine wirksame Reduktion des Klimawandels notwendigen Investitionen erfordern Arbeitskräfte und Produktionsmittel. Das gilt auch für die Weiterentwicklung der Technologie. Diese Arbeitskräfte stehen anderen Produktionen nicht zur Verfügung. Nur wenn die Arbeitslosigkeit hoch und die Wirtschaftsleistung niedrig ist, wird durch mehr Klimaschutz die Wirtschaft relevant zu wachsen beginnen. Umgekehrt formuliert: In Zeiten einer weitgehenden Vollbeschäftigung oder gar von Arbeitskräftemangel wird die Realisierung dieser notwendigen Investitionen die Produktion anderer Güter verringern. Eine große Wirkung auf das Wirtschaftswachstum im Sinne eines höheren Bruttoinlandsprodukts ist daher nicht zu erwarten.

Kosten des Klimaschutzes

Der Preis mancher Güter wird steigen. Ein Haus mit guter Wärmedämmung kostet mehr als ein identisches Haus ohne Dämmung. Will der Staat Investitionen zur Reduzierung von Emissionen fördern, benötigt er Geld. Es müssen mehr Steuern eingehoben werden. Das sind eben die Kosten des Klimaschutzes. Die realen Einkommen der Haushalte werden daher niedriger sein. Der private Konsum vieler Haushalte wird sinken. Dafür wird der Klimawandel abgeschwächt. Es geht nicht um vermeintlichen Überfluss, sondern um eine bessere Vorsorge für eine lebbare Zukunft.

Auf Wachstum kann auch nicht verzichtet werden. Drei Argumente: Ein steigendes Volumen an Gütern für den privaten Konsum mag in der reichen Welt nicht so bedeutend sein, aber für die armen Regionen ist das ein Muss. Es ist unmöglich, allein durch Umverteilung von den reichen zu den armen Ökonomien bei Letzteren den Wunsch nach Wirtschaftswachstum zu befriedigen.

Zweitens könnte ohne Wirtschaftswachstum niemand mehr verdienen, ohne dass eine andere Person weniger verdient. Die Tochter eines Kassiers im Supermarkt studiert fleißig, um Rechtsanwältin zu werden. Damit der Plan in Erfüllung geht, müsste sie zuwarten, bis der Sohn einer Rechtsanwältin beschließt, mit Dichtkunst sein Leben zu finanzieren. Jede Hoffnung eines sozialen Aufstiegs wäre an einen Abstieg anderer gebunden.

Der dritte positive Aspekt ist, dass neue Produkte und Produktionsverfahren entstehen, selbst wenn nicht alles Neue auch sinnvoll oder gar notwendig ist. Wer Wachstum ablehnt, muss sich mit diesen drei Problemen auseinandersetzen. Viel wird dazu publiziert. In Deutschland gelang der "taz"-Redakteurin Ulrike Herrmann mit "Das Ende des Kapitalismus" ein Bestseller. Ihre These: Die zur Rettung des Klimas nötige Reduktion der Belastung der Atmosphäre sei mit dem Fortbestand des Kapitalismus unvereinbar. Wir bräuchten eine andere Gesellschaft. Das spricht ein kapitalismuskritisches Publikum an.

Leben wie vor 50 Jahren

Das Programm ist radikal. In den reichen Ökonomien soll die Wirtschaftsleistung auf die Hälfte beschränkt werden und damit auf ein Niveau von vor 50 Jahren. Der Staat muss viele Produktionen verbieten, selbstverständlich demokratisch. Manche der üblichen Verdächtigen werden genannt: Autos für den Privatverkehr, Flugreisen und der Neubau von Häusern. Die verbleibenden Produktionen soll der Staat nicht planen. Das kann dem Markt überlassen werden. Die Autorin hält fest, dass niemand hungern müsse und das Leben schön sein werde. So schön wie vor 50 Jahren.

Sie behauptet auch, technische Emissionsreduktionen würden wenig bringen. Deutschland etwa habe nicht genug Flächen für Windräder und Photovoltaik, um allen benötigten Strom zu erzeugen. Aber hat das wer behauptet? Was bei neuen Technologien herauskommt, ist unsicher. Ausdrücklich wird festgehalten, dass "die Klimakrise mit der Technik bewältigt werden [muss], die jetzt vorhanden ist". Beispiele für ewiges Unwissen werden angeführt: Schon vor 13.000 Jahren hatten Menschen die Idee, Zahnlöcher zu stopfen. Bis heute gibt es keine befriedigende Lösung. "Auch ideale Schlaf-, Schmerz- und Beruhigungsmittel existieren nicht, obwohl schon seit mehr als 100 Jahren daran geforscht wird."

Als vermeintliche Realisierung eines solchen Planes wird die Kriegswirtschaft in Großbritannien unter Premier Winston Churchill angeführt. Ab 1940 mussten vorrangig Waffen produziert werden. Die Produktion anderer Güter wurde reduziert. Durch Rationierungen konnte jedoch für die ganze Bevölkerung der Konsum zentraler Güter gesichert werden.

Schlechtes Beispiel Churchill

Das Buch ist ein schlechter Witz. Keine neuen Häuser? Es gibt genug Wohnraum in Deutschland. Kann sein. Die Autorin schreibt aber, dass viele Arbeitsplätze verloren gehen und neue entstehen würden. Werden diese am gleichen Ort sein? Fliegen soll verboten werden. Was bedeutet das für Menschen mit nahen Angehörigen in einigen tausend Kilometern Entfernung?

Auch der Hinweis auf die Politik Churchills ist fragwürdig. Er wurde Premier ohne Wahlen nach dem Scheitern der Beschwichtigungspolitik gegenüber Adolf Hitler. Es war klar, was vorrangig produziert werden musste, eben Rüstungsgüter. Auch die Dauer war vorgegeben, nämlich bis zum Sieg. Nach dem Krieg wurde Churchill als Held im ganzen Land gefeiert. Die Wahlen im Juli 1945 verlor er aber. Erst 1953, zwei Wahlen später, erzielte Churchill wieder eine Mehrheit.

Es ist zu befürchten, dass das Buch anders gelesen wird: Durch neue Techniken induzierte Verringerungen von Emissionen bringen nicht viel und sind ungewiss. Auch eine Lenkung des Konsums durch in Demokratien übliche Instrumente haben keine Wirkung. Was bleibt? Eine staatlich gelenkte Reduktion der Produktion. Das kommt der DDR recht nahe. Hätte die DDR die Braunkohle aufgegeben, sie wäre ein ökologisches Musterland gewesen.

Früher wurde gesagt, den Klimawandel gebe es nicht. Autorin Herrmann sagt, in den Strukturen europäischer Demokratien könne man nichts dagegen tun. Es gibt zu viele, denen dies gefallen wird. Es ist kein Problem, dass Bücher dieser Art geschrieben werden. Aber als Bestseller erschweren sie eine Diskussion guter Politik.