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Endlich spielt es die Operette

Von Richard Picker

Gastkommentare
Richard Picker ist Psychotherapeut und Theologe in Wien.

Aus irgendeinem liebevollen Grund scheint die Weltvernunft justament die österreichische Bühne für bedeutsame Auftritte zu verwenden.


Wir können das Szenario scheinbar nur zu gut spielen: Man nehme eine ehemalige Sängerin (in der Doppelrolle mit einem unglücklichen Pfarrer), eine empörte Meinungsmache der Moralisch-Gerechten, einen liebevoll hin und her schwankenden Kardinal - diesmal wiederum mit einer Geheimbotschaft, die der eigentlichen vorausgeht und nur auf den Türschlitz wartet, unter dem sie durchgeschoben werden kann - und darüber das alte "dafür-dagegen"-Spiel: "Einerseits, andererseits, man sollte und müsste wohl auch endlich einmal Ordnung machen, jawoll, denn bekanntlich ist die Welt ein Saustall."

So könnte die Operette beginnen, und die Protagonisten warten auf ihren Auftritt. Steckte nicht hinter diesen Versatzstücken der Ernst einer Weltmächtigkeit, die gar nichts mehr mit einem Operettchen im Sinn hat.

Die 2000 Jahre alte Kirche bröckelt allerorten. Und dort, wo sie nicht eben am Bröckeln ist, wird sie medial übergangen, denn "only bad news are good news".

Die katholische Kirche - Inbegriff der Stabilität und der Konsistenz - kennt sich selbst nicht mehr. Das ist wahrhaftig nicht zum Lachen!

Kann man wirklich guten Gewissens mit kindischen Begründungen alle Frauen von kirchlichen Ämtern ausschließen? Man kann schon, aber man darf nicht! Die Wahrheit rückt heran und vollzieht ein schreckliches Gericht.

Kann man wirklich guten Gewissens eine Sexualmoral nach dem antiken Modell mit sich weiterschleppen, ungeachtet der psychischen Flurschäden? Man kann sehr wohl, aber wer will das verantworten? So wäre es ein Leichtes, die Kritik weiterzuspinnen. Aber wohin bringt uns das?

Käme es nicht vielmehr darauf an, nicht einander zu zerfleischen, sondern die religiöse oder atheistische Erfahrung aller Menschen gelten zu lassen?

Es ist keine so große Schwierigkeit unter der Behütung der großartigen Kuppeln, die der Weltgenius in St. Peter oder auch anderswo errichtet hat, endlich besinnlich Platz zu nehmen und das Inventar zu sichten und rundum Frieden zu schließen.

Wir haben wirklich alles, was wir zu einem glücklichen Leben brauchen.

Wir haben eine überreiche Vergangenheit und die Visionen einer besseren Zukunft. Klingt wie lyrisches Blabla, ist aber pure Realität, wenn wir verantwortlich zu handeln wagen.

Der Pfarrer von Stützenhofen hat uns eine unfreiwillige, fast groteske Meldung zukommen lassen. Der Wiener Kardinal tut sein Bestes - aber was kann er tun, solange ihm kirchliche Lehrsätze die Hände binden? Er kann sich blamieren, weil es keine tolle Lösung geben kann, weil auch er nicht Hundertschaften rotgewandeter Amtsträger zu beeinflussen vermag, weil die herkömmliche Kirchenorganisation überrollt wird von den Ereignissen des medialen Zeitalters. Und natürlich kann auch der Papst nicht zaubern. Es bleibt die Hoffnung, dass "der Geist in der Schwachheit zur Vollendung kommt".

Immerhin: So großartig der Kardinal die Homosexuellen-Frage bewältigt hat, so großartig müssten wir die Augen von Stützenhofen weg in die Zukunft lenken.