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Das autoritäre Gen der Grün-Partei

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Dass sich die Grünen von Bestechungssümpfen ferngehalten haben, macht sie durchaus wählbar. Dass sie uns wie unmündige Kinder behandeln, weniger.


Es sei ein "Klischee", ärgerte sich die Chefin der Grünen, Eva Glawischnig, jüngst darüber, dass ihre Partei immer wieder einer besonderen Affinität zu Verboten und Geboten aller Art bezichtigt wird. Fast zeitgleich jedoch verkündete die grüne Frontfrau, dem typischen grünen Reflex folgend: "Wir wollen eine Solaranlagen-Verpflichtung."

Es ist eben doch kein Klischee, sondern politische Realität: Die Grünen sind mehr als jede andere Partei wesentlicher Treiber jener Ge- und Verbotskultur, die den Bürger zunehmend zu bevormunden sucht, als wäre er ein unmündiges Kind, das der gütigen, aber strengen Erziehung durch den Staat bedarf.

Wo immer ein Problem auftaucht, und manchmal auch dort, wo noch gar keines zu sehen ist, reagieren die Grünen mit Verboten oder Geboten und haben sich so zu echten politischen Spaßbremsen entwickelt, die sauertöpfisch jeden Verstoß gegen die Gebote der Ökoreligion ahnden.

Wohin das führen könnte, prophezeite jüngst das Magazin "The European" sarkastisch: "Werden wir in ein paar Jahren in Nachtclubs nur noch Kamillentee serviert bekommen, ohne Zucker wohlgemerkt... Müssen wir uns darauf einstellen, dass wir am Strand eine Selbstverpflichtung zum regelmäßigen Eincremen unterschreiben?"

Das ist insofern erstaunlich, als sich die Grünen ja grundsätzlich eher weltoffen, emanzipatorisch und modern gerieren. Grün-Wähler sind meist besser ausgebildet, wohlhabender und politisch gebildeter als der Durchschnitt der Bevölkerung - und ausgerechnet in diesem Milieu wuchert die Sehnsucht nach dem "Nanny-Staat", der "betreuungsbedürftige Trottelbürger" (so der "Spiegel") entmündigt?

Eine wesentliche Ursache dafür dürfte am singulären Status des grünen Kernanliegens "Umweltpolitik" liegen. Für "die Umwelt" zu kämpfen ist per definitionem gut und ein moralischer Wert, der seinen Vertretern automatisch eine Art moralische Lufthoheit verschafft. "Moral ist ein Medium politischer Disqualifikation", meint der deutsche Philosoph Hermann Lübbe. Wer sich im Besitz dieser Moral wähnt, wird dazu neigen, sie gegen nahezu jeden Widerstand durchzusetzen, was ein wesentlicher Treiber jener penetrant oberlehrerhaften Mentalität sein dürfte, mit der uns die Grünen oft entgegentreten. Im Gegensatz zu Linken oder Rechten vertreten sie ja nicht ein Partikularinteresse, sondern eine Art höheres Interesse - und das macht sie so oft so unerträglich wie jeden, der sich im alleinigen Besitz der Wahrheit wähnt.

Dazu kommt am Rande ein ideengeschichtlich durchaus zum Autoritären neigender seitlicher historischer Wurzelstrang der grünen Bewegung. Denn in Deutschland wie in Österreich entwickelten sich die Ökos in den 1970er Jahren ja nicht nur aus dem linken Milieu heraus, sondern teilweise durchaus auch aus einer rechten, zum Teil sogar sehr weit rechten Naturschutzbewegung.

Nicht korrupt zu sein, ist zweifellos eine politische Qualität. Seine Mitbürger nicht als "betreuungsbedürftige Trottelbürger" zu verstehen, wäre freilich eine mindestens ebenso attraktive politische Qualität.

ortner@wienerzeitung.at