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Staatlicher Zwang, in frischem und modernem Look

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Warum Österreichs Selbständige wieder einmal jenen Kakao trinken sollen, durch den sie vom Staat gezogen werden.


Sich nicht als Beamter, Angestellter oder Arbeiter, sondern als Selbständiger seinen Lebensunterhalt zu verdienen, kann ganz schön anstrengend sein. Der permanente Kampf um den nächsten Auftrag, kein bezahlter Urlaub oder Krankenstand, saftige Selbstbehalte für Medikamente und Arztkosten, eine für die meisten von ihnen zuständige Sozialversicherungsanstalt, der pro Quartal demnächst schon bis zu 5000 Euro in den Rachen zu schieben sind und die sich dafür bedankt, indem sie ihre Versicherten gnadenlos in die Insolvenz treibt, wenn sie einmal klamm sind - das sind die Sorgen, die die knapp 500.000 Selbständigen dieser Republik Tag für Tag plagen.

Doch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), bei der die (meisten) Selbständigen zwangsversichert sind, obwohl das viele überhaupt nicht wollen, scheint das Problem nun erkannt zu haben - und macht sich fest entschlossen daran, ihnen das Leben spürbar zu erleichtern. Oder so.

Die SVA hat nämlich eine renommierte (und vermutlich auch entsprechend teure) Werbeagentur engagiert. "Wir freuen uns, gemeinsam mit der Agentur, allen Kunden unsere Leistungspakete in einem frischen und modernen Look zu präsentieren", beschreibt der SVA-Funktionär Alexander Herzog, wie die Anstalt nun den Selbständigen das Leben erleichtern will.

Das ist insofern einigermaßen kühn, als es sich bei den der SVA Unterworfenen nicht im Geringsten um "Kunden" handelt, sondern um Personen, die gegen ihren Willen einen erheblichen Teil ihres Einkommens abliefern müssen. Wenn das SVA-"Kunden" sind, sind Häftlinge "Kunden" der hiesigen Strafjustiz.

Und bezweifelt werden darf auch mit einiger Wahrscheinlichkeit, dass für die von hohen Beiträgen und ruppigen Konditionen geplagten SVA-Zwangsmitglieder ein "frischer und moderner Look" ihrer Zwangsversicherung allerhöchste Priorität genießt - schon gar nicht, wenn sie diese Behübschung auch noch aus den ihnen abgepressten Beiträgen finanzieren müssen. "Wir benötigen keine Neupositionierung, keinen neuen Claim, keinen ‚frischen und modernen Look‘ - wir brauchen eine Reform", ärgert sich PR-Beraterin Margit Gugitscher von der SVA-kritischen Plattform "Amici delle SVA". Und sie hat völlig recht damit.

Nun lassen sich - jedenfalls theoretisch - ja durchaus auch belastbare Argumente für ein solches System der obligatorischen Pensions- und Krankenversicherung finden (auch wenn gerade Selbständige in der Lage sein sollten, über diese Lebensaspekte selbständig zu disponieren, etwa indem zumindest die Zwangsversicherung durch einen Versicherungszwang ersetzt wird).

Aber auch ein mit guten Gründen unterfüttertes System der Zwangsversicherung bleibt ein System der Zwangsversicherung und wird auch immer und zu Recht als Zwang empfunden. Das zu camouflieren und in eine Begriffswolke zu hüllen, die den Blick auf die Fakten behindert, ist weder redlich noch ehrlich und außerdem höchst durchsichtig. Zwang ist Zwang, auch wenn er künftig im "frischen und modernen Look" ausgeübt wird. Von den Versicherten auch noch zu verlangen, das zu finanzieren, heißt, sie zu zwingen, von dem Kakao, durch den man sie zieht, auch noch zu trinken (Erich Kästner).