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Brücken für eine solidarische Welt

Von Hans Holzinger

Gastkommentare
Hans Holzinger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg.

Was der Song Contest mit dem Europäischen Jahr für Entwicklung zu tun hat.


"Building Bridges" lautete das Motto des Eurovision Song Contest, der zweifellos symbolische Brücken zu schlagen vermochte. Die Welt der Popsongs soll uns aber nicht vergessen lassen, dass Europa noch immer ein Kontinent der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist. Ruft man die Vielfalt der mitwirkenden Länder in Erinnerung, wird klar, dass diese unterschiedlicher nicht sein könnten. Und vermutlich mehr noch als das Zusammenwachsen über Musik braucht es ökonomisches Zusammenwachsen. Da ist der reiche Teil Europas gefordert.

Symbolische Brücken helfen auch den im Mittelmeer ertrinkenden Flüchtlingen nichts - sie brauchen reale Brücken. Die Humanität Europas beweist sich nicht in seinen Kulturhauptstädten oder in einem Song Contest, sondern an Orten wie Lampedusa und der Bereitschaft, etwas vom Wohlstand abzugeben. Politik und öffentliche Stimmung weisen freilich derzeit in eine andere Richtung. Das Feilschen um Flüchtlingsquoten und die Aussperrung von Notreisenden wird den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien nicht bremsen, sondern bekräftigt diese in ihrer Haltung.

Gefordert ist gelebte Humanität - da gibt es durchaus Vorbilder, auf die auch in unserer Gesellschaft verwiesen werden kann. Gefordert ist aber auch ein klares politisches Konzept, das der Ideologie der Angst konkrete Schritte der wirtschaftlichen Kooperation mit den ökonomisch schwächeren Ländern entgegensetzt.

Die Allgemeinen Menschenrechte bleiben die Richtschnur, an der unsere Taten zu messen sind, auch wenn wir weit von ihrer Umsetzung entfernt sind. Dasselbe gilt für die Utopie eines Europa und einer Welt, in der niemand mehr fliehen oder betteln muss. Nicht hinzunehmen, dass die Welt in Milliardäre und Hungernde geteilt ist, bleibt das politische Ziel. Das schließt humanitäres Engagement mit ein und weist darüber hinaus.

Ein bettelnder Mensch widerspricht unserem Leistungsethos und Verständnis von Menschenwürde. Das ist nachvollziehbar, auch wenn der Reichtum des Reichen am anderen Ende der Gesellschaftsskala kaum Widerspruch erfährt, wiewohl dieser, wie Studien belegen, meist nicht selbst "erarbeitet" wurde. Bettler machen uns unmittelbarer als die Hungertoten im TV darauf aufmerksam, dass die Welt ungerecht ist. Bettelverbote sind der Versuch, dieses Wissen zu verdrängen und von der politischen Aufgabe einer globalen Umverteilung abzulenken. Das tut uns nicht gut.

Nötig wären ein Wirtschaftsmasterplan für Osteuropa und ein globaler Gesellschaftsvertrag, der der Überwindung des Hungers höchste Priorität einräumen würde. Die Vermögenden der Welt wären hierfür in die Pflicht zu nehmen. Allein der jährliche Vermögenszuwachs der 100 reichsten Familien in den USA übersteigt die globale Entwicklungshilfe, wie Franz Josef Radermacher, Proponent eines "Global Marshall Plans", vorrechnet. Derzeit wird ja von den meisten Staaten die internationale Selbstverpflichtung, zumindest 0,7 Prozent des BIP für Entwicklungshilfe auszugeben, versäumt. Österreich liegt bei 0,26 Prozent. Das von der Europäischen Kommission ausgerufene "Europäische Jahr für Entwicklung 2015" wäre ein geeigneter Anlass, wenigstens dieses Minimalziel zu erreichen.