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Genossenschaftsbanken vor Veränderungen

Von Holger Blisse

Gastkommentare
Holger Blisse war wissenschaftlicher Projektmitarbeiter der Universität Wien und ist auf kredit-, land- und wohnungswirtschaftliche, genossenschaftliche und sozialpolitische Themen spezialisiert.

Wie die aktuellen Entwicklungen in Italien Volksbanken und Raiffeisenbanken in Österreich betreffen könnten.


Nach den Vorstellungen der EU sollen Europas Banken auf das Modell einer großen und kapitalmarktorientierten Aktienbank ausgerichtet werden. In Österreich gehen die Volksbanken in diese Richtung. Sie wollen bis 2017 zu acht großen Volksbanken fusionieren und "kapitalmarktfähig" werden. Innerhalb des Sektors bleiben einige Institute weiterhin als Genossenschaft tätig. Die Kapitalmarktfähigkeit und ein möglicher Börsegang dürften originär das Zentralinstitut, die Volksbank Wien AG, umfassen.

Dass es dabei nicht bleiben könnte, ließe sich befürchten, wenn man nach Italien blickt: Dort beabsichtigt die Regierung, nicht nur die größeren, sondern alle Volksbanken (Banche Popolari) ebenso wie die ländlichen Genossenschaftsbanken (Casse Rurali/Casse Raiffeisen) in Aktiengesellschaften zu überführen, um Fusionen auch mit anderen Banken zu erleichtern.

Die Umwandlung in eine AG durchbricht aber ein wesentliches Konstruktionsprinzip einer Genossenschaft. Genossenschaften sind auf ihre Mitglieder bezogen. In Österreich sind etwa 0,5 Millionen Menschen Mitglied und damit Eigentümer einer Volksbank, bei den Raiffeisenbanken sind es 1,7 Millionen. Die Mitglieder sind mit Geschäftsanteilen an "ihrer" Bank beteiligt. Im Vordergrund soll nicht der Ertrag durch hohe Dividenden und Kursgewinne stehen, sondern die Förderung durch günstige und gute - exklusive - Bankdienstleistungen. Anders als in einer AG sind die Mitglieder nicht am Wertzuwachs beteiligt. Die Reserven verbleiben in der Genossenschaft und sichern deren dauerhaften Fortbestand. Tritt ein Mitglied aus, so erhält es sein Geschäftsanteilskapital zurück - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Wird eine Genossenschaft in eine AG umgewandelt, werden die Reserven jenen zugerechnet, die gerade Mitglieder sind. Im Zuge der Sanierung und Abwicklung ihres früheren Zentralinstituts, der Österreichische Volksbanken-AG (ÖVAG), haben die Volksbanken unter anderem durch Abwertung ihrer Beteiligung an der ÖVAG Reserven eingebüßt und sind geschwächt worden. Ihr Zusammenschluss soll sie stärken und mittelfristig unabhängig von der noch zurückzuzahlenden Staatshilfe machen. Ein Volksbanken-Börsegang würde es Investoren erlauben, Aktien zu erwerben und in dem Maß an Einfluss in der Bank zu gewinnen, wie die früheren Eigentümer bereit sind, ihre Aktien - begünstigt durch einen Kursgewinn - abzugeben. Neue Eigentümer könnten das Geschäftsmodell verändern.

In Italien sollten ursprünglich die Raiffeisenbanken in Südtirol (Casse Raiffeisen) vom geplanten Gesetz ausgenommen sein - diese Regelung fehlt im aktuellen Entwurf. Innerhalb des noch nicht abgeschlossenen Prozesses wäre es wünschenswert, diese Entwicklung - den Zugriff eines kapitalmarktorientierten Finanzsystems auf die Unabhängigkeit genossenschaftlicher Banken - objektiv zu diskutieren und rechtzeitig abzumildern, wenn nicht gar aufzuheben. Denn nur dann bleiben Bankgenossenschaften dort wie hier mit ihrem nachhaltigen Beitrag für die regionale Wirtschaft und mit Angeboten für Privatkunden erhalten - im Eigentum vieler Mitglieder, die aktiv, informiert und interessiert für den Erfolg und für die Zukunft "ihrer" Bank einstehen.