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Nicht die Briefwahl ist das Problem

Von Herbert Skarke

Gastkommentare

Bei Wahlen in Nahost oder in Südamerika bringen oft die Parteien, die verloren haben, lautstark bis gewalttätig die Behauptung vor, die Wahlen seien gefälscht worden. Dies mag stimmen oder nicht - Österreich jedenfalls ist kein levantinischer Staat und erst recht keine Bananenrepublik, bei uns sind Wahlen korrekt. Die FPÖ hat sich als schlechter Verlierer erwiesen und bringt allerlei haltlose Verdächtigungen vor, die meist sehr durchsichtig sind. Eine Forderung ist die Abschaffung der Briefwahl - was, wie die Stichwahl gezeigt hat, wohl der FPÖ nützen würde. Auch viele ältere Personen, die sich schon etwas schwertun, ein Wahllokal aufzusuchen, nützen die Briefwahl. Unter ihnen gibt es sehr viele Traditionswähler von SPÖ und ÖVP.

Laut Wahlordnung können Parteien, die bei der vergangenen Nationalratswahl den Sprung ins Parlament geschafft haben, Wahlbeobachter, sogenannte Beisitzer nominieren. Abgeordnete stellen die Neos und das Team Stronach. Auch die Organisationsdichte der Grünen ist in vielen Teilen Österreichs so gering, dass sie mitunter keine Beisitzer nominieren können. Man kann davon ausgehen, dass die Beisitzer der anderen Parteien keine Wahlbetrüger sind und Stimmzettel der FPÖ verschwinden lassen, vor allem wenn ein Freiheitlicher in der Kommission sitzt und das kontrollieren kann.

Wahlkommissionen sind nicht ausreichend besetzt

Das eigentliche Problem, dass viele Wahlkommissionen nicht von allen wahlwerbenden Gruppen besetzt sind (selbst die FPÖ war nicht überall vertreten), wird nicht thematisiert, hingegen die vorzeitige Öffnung der Briefwahlkarten schon. Als es noch wenige Wahlkartenwähler gab, wurde seinerzeit festgelegt, dass die Briefwahlkarten erst am nächsten Tag, ab 9 Uhr geöffnet und ausgezählt werden dürfen. Das hätte bei der Stichwahl ein schönes Tohuwabohu gegeben. Alle wollten ja schon am Wahlabend das Ergebnis kennen, und die Schätzung war einigermaßen korrekt. Bei korrekter Vorgehensweise hätte man überhaupt erst gegen Ende des nächsten Tages erfahren können, wie die Wahl ausgegangen ist. Was hätte es da bei den Medien, aber auch bei den Parteianhängern für Ärger und Proteste gegeben.

Ob FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die Wahlanfechtung nützt, darf bezweifelt werden. Möglicherweise hätte der Freundlichkeit ausstrahlende Parlamentspräsident Norbert Hofer schon bei der Wahl mehr Stimmen gewonnen, wäre nicht hinter ihm der verbissene Strache aufgetaucht. Damit hat der FPÖ-Chef Alexander Van der Bellen geholfen, die Stichwahl zu gewinnen.