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Die Woche des Terrors

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Der Wahnsinn aus dem gesellschaftlichen Außen.


Nach dieser Woche des Grauens, wo man mit offenem Mund vor den täglichen Nachrichten stand. Wo die Katastrophen bei allen Erklärungsversuchen dennoch unerklärlich blieben. Nach dieser Woche nur ein paar Bemerkungen - durchaus widersprüchlicher Art.

Jeder Artikel zu dem Thema beginnt mit einer Aufzählung der Orte. Die Namen zeichnen eine Karte des Horrors. Das Bild einer Vervielfältigung, einer Welle, einer Epidemie. Das Ausrasten ist einzeln und hat dennoch etwas Ansteckendes. Die Attentate wiederholen ein Muster - dennoch sind sie nicht auf einen Nenner zu bringen. Wie das Attentat von München zeigt, wo der Täter - ein Deutsch-Iraner - dennoch ein Rechtsextremist war. Die Zuordnung der Attentate, ob islamistischer oder rechtsextremer Terror, ist also nicht nur kompliziert. Sie alleine macht auch die Taten keineswegs verständlicher.

Die Attentate lassen sich auch nicht einfach den Flüchtlingen zuschreiben - auch wenn eine solche Zuschreibung den Horror einschränken würde, weil es ihn handhabbarer machen würde. Zumindest in der Reaktion. Die Bedrohung käme dann von außen. Die Maßnahmen wären klar. Aber die Bedrohung kommt nicht einfach von außen. Sie ist da. Nicht nur, weil etliche Attentäter Europäer sind. Sondern weil auch hiesige Ideologien sich dafür "eignen" - wie der überintegrierte Münchner Attentäter mit AfD-Affinität gezeigt hat.

Wenn aber so ein Wahnsinn sowohl eine islamo-faschistische als auch eine nationalsozialistische Motivation haben kann, dann muss man feststellen: Ideologie, egal welche, scheint nicht sein wesentliches Moment zu sein. Wesentlich scheint vielmehr die emotionale, die psychische Disposition von Hass, Verachtung, Rachefantasien. Wesentlich scheint also ein grundlegender Abstand zur Gesellschaft, dem die Ideologie nur als Kompass in den Untergang dient. Und insofern kommt dieser Wahnsinn von einem Außen. Von keinem geografischen, sondern einem gesellschaftlichen Außen.

Das ist wesentlich für die Reaktion, für den Umgang damit. Die nächstliegende Reaktion ist eine sicherheitspolitische. Verstärkung von Polizei, Militär. Verschärfung von Gesetzen, Überwachung, Prävention. Aber all diese Dispositive erreichen nicht den Kern - den einsamen, pathologischen Wunsch zu töten und auch selbst zu sterben. Denn diese Attentäter sind ja auch extrem junge Selbstmörder, Massenmörder mit suizidalem Trieb. Diesen erreicht die Sicherheitspolitik nicht.

Was kann Politik in solch einer Situation? Eine schwierige Frage. Denn die Attentäter usurpieren das, was den Kern von Politik ausmacht: die Selbstermächtigung, das Handeln und die Freiheit. All das usurpieren sie und pervertieren es zu einem namenlosen Horror. Jetzt braucht es nicht noch Öl-ins-Feuer gießende Politik. Jetzt braucht es nicht noch mehr Psychopathologie.

Man muss dankbar sein für jede Besonnenheit. Merkels Beharren etwa auf ihrem "Wir schaffen das". Das ist keine Hilflosigkeit, wie ihr vorgeworfen wurde. Denn einer Hilflosigkeit würde ein anderer Satz, ein anderes Tun, das Hilfe verspricht, entgegenstehen. Es ist vielmehr eine Kraft, sich dem Wahnsinn entgegen zu stellen. Und nicht, ihm zu folgen.