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Überparteilichkeit ist die neue Parteilichkeit

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Die VdB-Wahlbewegung.


Bei einer europaweiten Konferenz des Goethe-Instituts in Brüssel dieser Tage hat jeder, wirklich ausnahmslos jeder Sprecher Stellung genommen zur österreichischen Präsidentenwahl. Und ob EU-Politiker, Theoretiker oder Student, der Tenor war stets derselbe: Freude und Erleichterung über den Sieg Alexander Van der Bellens. Sie alle hatten mitgefiebert. Und nach Brexit und Trump war dies das erste Hoffnungssignal. Der Sieg VdBs ist derzeit das europäische Symbol für das Aufhalten des Rechtspopulismus. Aber ist das Votum für VdB nur ein negatives Votum gewesen, also eines, um Hofer zu verhindern - wie ständig behauptet wird?

Was Rechtspopulisten machen, ist nichts anderes als eine Feinderklärung. Eine Feinderklärung an die offene, liberale Gesellschaft. Und an die demokratische Kultur. Nun ist das Problem mit Feinderklärungen, dass diese einem anderen Politikkonzept als dem demokratischen angehören. Eine Feinderklärung totalisiert das Feld der Politik. Es zwingt diesem die Kategorien Freund-Feind auf. Da gibt es nur entweder-oder. In dieser Logik wäre VdB tatsächlich der Freund, der den Feind verhindern sollte.

Aber: Demokratie ist nicht das Setting für solch eine Logik. Mehr noch: Die Freund-Feind-Logik bildet die äußere Grenze und damit die Gefährdung der Demokratie. In dieser Perspektive hat sich im Votum für VdB eine neue Form manifestiert.

Bislang kannten wir Parteipolitik. Das ist eine Politik entlang von inhaltlichen Vorgaben. Die Parteien sind (oder waren) dabei pädagogische Institutionen, die ihre Mitglieder verändern (oder verändert haben). Es ist dies eine Politik von erkämpften (oder zu erkämpfenden) gesellschaftlichen Positionen. In diesem Sinne ist sie immer von Zukunftsvorstellungen getragen - auch wenn diese in Vergessenheit geraten können.

Der Populismus hingegen ist der Vergangenheit zugewandt. Deshalb will er auch keine Veränderung - weder eine gesellschaftliche Veränderung noch eine Veränderung seiner Wähler. Ganz im Gegenteil: Der rechte Populismus bestärkt und verfestigt diese vielmehr in dem, was sie sind (oder zu sein glauben). Das ist eine Politik, die Positionen bedient und nicht erkämpft - trotz aller Kampfrhetorik. Ist die Parteipolitik eine Politik der inneren, der programmatischen Differenzen, so ist der Populismus eine Politik der äußeren, der Systemdifferenz.

Die VdB-Wahlbewegung war weder populistisch noch eine Parteienbewegung. Sie ging weit über Parteipolitik hinaus. Sowohl was ihre Programmatik als auch was ihre Träger anbelangt. In ihrem Zentrum stand die überparteiliche Person. Hier haben die Leute sich selbst bewegt, sich selbst verändert. Das waren Personen im emphatischen Sinne, autonome Subjekte. Nicht nur der Kandidat, sondern auch seine Unterstützer. Denn ausschlaggebend war gerade die Überparteilichkeit - zu der man erst gelangen muss. Sie bedeutet keineswegs Neutralität. Angesichts einer Feinderklärung wurde Überparteilichkeit vielmehr zur neuen Parteilichkeit - eine gegen die äußere Differenz.

Das Votum für VdB ist gerade, indem es ein negatives Votum ist (eines gegen etwas), zugleich ein positives Votum - eines für eine Politik jenseits der Freund-Feind-Logik.