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Klimavertrag ade - oder doch nicht?

Von Karl Aiginger

Gastkommentare

Gastkommentar: 2017 wird ein entscheidendes Jahr für den Klimawandel - und für Europa.


2016 hätte die Geburtsstunde einer neuen Klimapolitik sein können. Das Abkommen von Paris, das die Erderwärmung unter als zwei Grad halten wollte, trat im November in Kraft. Schnell wie noch nie bekam die Welt also ein Abkommen, das 195 Länder betrifft, nach nur elf Monaten. Es war ein diplomatisches Meisterwerk, weil es allen Ländern überließ, wieviel und mit welchen Schwerpunkten sie es schafften. Wenn die ersten Vorschläge nicht reichten - was dann wirklich der Fall war - müsste nachgeschärft werden, durch Lernen von den Besten. Das ist eine Kombination, mit der es Fortschritt geben kann, wenn jedes Land eine andere Geschichte, Probleme und Prioritäten hat. Auch diese Methode hat ihre Mängel, aber bevor man alles regeln will und nichts bekommt, ist es ein gutes Modell.

2016 war ein historisches Zeitfenster, die Inkraftsetzung hätte nicht länger dauern dürfen. China hat verstanden, dass die Städte wieder bewohnbar werden müssen, Millionen Tote durch Luftverschmutzung waren einfach zu viele, kein Freiluftsport mehr möglich, Kinder müssen Masken tragen, nachdem sie knapp dem Hunger entronnen sind. Amerika hat Stürme und Trockenheit erlebt, die niemand mehr leugnen konnte, und der Dreck beim Fracking wurde optisch sichtbar wie auch das Schmelzen des Eises an den Polen. Europa hat weiter mehr Kohle verbrannt als Strom aus alternativen Energiequellen erzeugt, und Atomkraftwerke brauchen immer höhere Subventionen (siehe Hinkley Point). Der Syrien-Krieg und die Flüchtlingsströme sind großteils durch Dürre in den ländlichen Gebieten verursacht worden.

Billige Energie stattfossiler Exitstrategie

Doch nun haben die USA einen Präsidenten, der den Klimawandel als chinesische Erfindung bezeichnet. Und die neue Ministerriege könnte als Aufsichtsrat eines fossilen Energiekonzerns gewertet werden. Das wird auch Russlands Präsidenten Wladimir Putin gefallen, der Öl für sein Finanzierungsproblem braucht. Die Aktienmärkte jubeln. Statt den Anlegern eine Exitstrategie aus fossiler Energie präsentieren zu müssen, kann man es auch mit billiger Energie haben, um die Schwerindustrie zu halten, bald wird man in der enteisten Arktis bohren dürfen. Zuerst dort, wo Russland bestimmt, dann auch woanders, wenn Donald Trump die Dezember-Verordnung seines Vorgängers Barack Obama wieder rückgängig gemacht hat.

Wird China mitspielen? Wahrscheinlich nicht. Die Führung in Peking will das Land zu einem Technologieanbieter bei erneuerbaren Energien machen und das erste Elektroauto weltweit auf den Markt bringen, das keine 500 PS braucht. Und Solar- und Windenergie für die neuen Megastädte erzeugen, die das gesamte Bevölkerungswachstum der nächsten 20 Jahre aufnehmen. Das bietet China neue Exportchancen, nachdem Billiglohnexporte nicht mehr funktionieren, weil die Löhne aufholen.

Technologieführerschaft nicht noch einmal verschlafen

Und Europa? Das ist gespalten. Lobbyisten inklusive eines deutschen EU-Kommissars und der Rechtspopulisten freuen sich. Neue Firmen verzweifeln, die EU-Kommission zögert und wartet. Es gibt eine Weggabelung: Europa könnte Technologieführer bei neuen Antrieben, effizienten Baumethoden und erneuerbarer Energie werden und damit andere Technologien befruchten wie die kohlenstoffarme Stahlproduktion. Und diese Technologie für andere Länder und Städte aufbereiten, die auch unter Kohlesmog oder Dieselabgasen leiden. Oder aber Europa schaut dabei zu, wie China die Technologieführerschaft übernimmt. Weil ja die USA das auch tun.

2017 wird ein entscheidendes Jahr - für den Klimawandel und für die Frage, ob Europa die Technologieführerschaft übernimmt oder auch diesmal verschläft.