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Nein, die Deutschen sind nicht schuld

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Der Vorwurf, Deutschland würde mit zu niedrigen Löhnen die Weltwirtschaft stören, ist ebenso verbreitet wie falsch.


Sarah Wagenknecht, streitbare Abgeordnete der deutschen Linken, hat sich erst jüngst wieder einmal bitter über das "Lohndumping" beschwert, mittels dessen sich Deutschlands Wirtschaft einen angeblich ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil verschaffe: "Das Problem ist, dass unsere Lohnentwicklung weit hinter der vergleichbarer Länder zurückbleibt."

Eine Behauptung, die nicht nur linke Politiker und Medienleute bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholen. Dabei kommt es gelegentlich zu bemerkenswerten Koalitionen. Die Unterstellung, es sei nicht fair, "wenn Deutschland die Konkurrenzfähigkeit seiner Waren unzulässig durch Lohndumping erhöht", kann man dem Sinne nach völlig ident in Reden von Donald Trump als auch jüngst in einem Kommentar des linksliberalen österreichischen Publizisten Peter Michael Lingens nachlesen, der schon seit Jahren unermüdlich gegen die angeblich zu niedrigen Löhne in Deutschland anschreibt.

Das Argument ist beeindruckend, hat nur einen kleinen Nachteil: Es handelt sich dabei weitgehend um Fake-News. Es stimmt einfach so nicht. Denn die nackten Fakten belegen die Behauptung nicht im Geringsten. So sind die für die Wettbewerbsfähigkeit zentralen Lohnstückkosten in Deutschland um 25 Prozent höher als zum Beispiel in den USA. Auch in Japan ist die Arbeitskraft mittlerweile signifikant billiger als in Deutschland. Kein Mensch in Europa aber käme auf den Gedanken, den Amerikanern oder den Japanern, also den beiden großen globalen Konkurrenten der Deutschen, Lohndumping vorzuwerfen.

Dabei stammen diese Zahlen noch aus dem Jahr 2015; in den vergangenen drei Jahren aber sind die Löhne und Gehälter in Deutschland um sage und schreibe sechs Prozent real - also selbst nach Abzug der Inflationsrate - gestiegen. Das ist ein stärkerer Anstieg als in den meisten anderen Industrieländern und hat deutsche Arbeitsleistung natürlich noch weiter verteuert. "Die Arbeitskosten in Deutschland sind jetzt schon das fünfte Jahr in Folge stärker gestiegen als im EU-Durchschnitt", rechnete jüngst der deutsche Ökonom Christoph Schröder vor.

So haben wir uns Lohndumping eigentlich nicht vorgestellt.

Selbst die "Süddeutsche Zeitung", nicht eben als Zentralorgan des Neoliberalismus bekannt, brachte es jüngst in einer umfangreichen Analyse auf den Punkt: "Der Vorwurf mit den Dumpinglöhnen ist absurd."

Deutschlands in der Tat problematischer riesiger Exportüberschuss hat jedenfalls weitgehend andere Ursachen: nämlich die technologische Überlegenheit deutscher Autos, Maschinen oder Anlagen und den dank einer fatalen Gelddruckpolitik der EZB viel zu niedrigen Euro-Kurs. Denn dadurch verbilligen sich natürlich die extrem attraktiven Audis, BMWs oder Mercedes in den USA oder sonst wo in der Welt ganz erheblich, was zu entsprechend florierenden Exporten führt.

Beides kann man den Deutschen freilich nicht wirklich vorwerfen.

Ihnen aber wider besseres Wissen, belastbare Fakten und wasserdichte Statistik vorzuwerfen, sie betrieben Lohndumping, heißt schlicht und ergreifend nichts anderes, als Fake-News zu verbreiten.