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Der neue Feminismus

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Ein Nachtrag zum Internationalen Frauentag.


Vor einiger Zeit gab es das Projekt eines "Frauenstadtplans". Hier sollten online frauenspezifische Tipps - "die besten Treffpunkte", "die beliebtesten Kinderspielplätze" - in den Stadtplan eingezeichnet werden. Ich weiß nicht, ob das Projekt realisiert wurde. Aber so eine Karte ist ein Sinnbild für das, was Feminismus lange war: spezielle Orte und Nischen für spezielle Menschen und spezielle Themen.

Heute aber gibt es einen neuen Feminismus. Und eine neue Aufgabe, die den Frauen erwachsen ist. Nicht klar ist, ob diese beiden Dinge in einem Kausalverhältnis stehen. Dieser neue Feminismus unterscheidet sich in allen drei Momenten von seinen Vorgängerformen: in Personal, in Themen und Orten, in Formen der Vergesellschaftung.

Was das Personal anlangt, ist die Veränderung schlagend: Träger, Angerufene sind nicht mehr einfach Frauen. Es sind vielmehr, wie es in der "taz" hieß, "Junge und Alte, Männer und Frauen, Cis- und Transmenschen" (Leute, die mit ihrem biologischen Geschlecht übereinstimmen, und solche, die das nicht tun). Es geht also allgemein um feministisch aktive Menschen. Und das können durchaus auch Männer sein.

Der neue Feminismus ist nicht mehr einfach nur Frauensache, denn Diskriminierung ist nicht nur Frauensache. Diskriminiert wird man nicht nur aufgrund des Geschlechts, sondern auch aufgrund von Rasse, Religion, sozialer Stellung oder Herkunft. Manchmal sogar alles auf einmal. Wer sich also gegen Diskriminierung engagiert, dann - so die neuen Feministinnen - müsse sich allen Formen widmen. Deshalb sind ihre Themen eben nicht "nur" Frauenthemen.

Dieser neue Feminismus möchte sich aus dem Frauenghetto befreien, in das er lange Zeit wie in eine Spielecke verbannt war. Es ist Zeit dafür. Denn wenn rechte Populisten den alten Feminismus als Schild gegen Migranten missbrauchen, erwächst den Frauen eine neue Aufgabe. Wenn Rassisten Frauenrechte zur Abwehr etwa von Muslimen ins Treffen führen, ist es Zeit für einen neuen Feminismus. Einen Feminismus, der den Begriff der "Frau" in all seiner Diversität neu definiert. Einen Feminismus, der sich als breite Klammer für alle Antidiskriminierungsbestrebungen versteht. Eine Klammer, die ganz im Wortsinn die Kräfte bündelt. Deshalb liegt ein Hauptaugenmerk des heutigen Feminismus auf den Verbindungsformen. Statt um Rückzug in die Enklaven geht es um Vernetzung, um Verbindung.

Zugleich aber ist diese Klammer nicht nur eine organisatorische. Der neue Feminismus ist eher ein Label, unter dem sich die unterschiedlichsten Widerstandskräfte formieren - ob die "Czarny"-Bewegung gegen Jaroslaw Kaczynski, ob die "Women’s"-Bewegung gegen Donald Trump oder der "Feminist Night Walk" in Istanbul. Feminismus ist heute eine konkrete gesellschaftliche Vision: die Vorstellung einer gerechteren Welt, die sich im Handeln artikuliert. In einem Handeln jenseits der Spielecke.

Ob die Frauen heute wirklich "eine Art revolutionäre Klasse" sind, wie Slawomir Sierakowski meinte, sei dahingestellt. Dass sie aber dabei sind, zu einer globalen Kraft zu werden, ist eindeutig.