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Das schwarze Phänomen

Von Bettina Resl

Gastkommentare
Bettina T. Resl ist Stellvertretende Vorsitzende des Hildegard Burjan Instituts - Verein zur Förderung der politischen Bildung. Sie war von 2005 bis 2011 als Kabinettsmitarbeiterin im Gesundheits- und im Wissenschaftsministerium tätig.

Sebastian Kurz tritt in die Fußstapfen eines Hannes Androsch oder Jörg Haider - bis dato mit Erfolg.


Was sich Sebastian Kurz nach seinem Amtsantritt als neuer ÖVP-Chef anhören beziehungsweise worüber er lesen musste, hat ihn wohl weniger erschreckt; Häme begleitet seine politische Laufbahn seit Beginn. Unter den zweifelhaften Zuschreibungen war dann wohl auch die des österreichischen Emmanuel Macron eine, die er vielleicht noch als schmeichelhaft interpretieren konnte.

Die Frage, wer denn dieser für die heimische Politik nach wie vor junge Mann sei, wurde nur zu oft gestellt beziehungsweise durch Vergleiche mit aktuell amtierenden Politikern Europas zu beantworten versucht. Doch sind all diese Vergleiche zu kurz gegriffen; Kurz ist ein politisches Phänomen. Er ist all das, was in der österreichischen Innenpolitik noch niemandem vor ihm gelungen ist. Zugegeben, junge politische Talente gab es wohl in der Zweiten Republik wie Hannes Androsch in der SPÖ oder auch Jörg Haider in der FPÖ; Kurz könnte aber der Erfolgreichste darunter werden.

In einem ORF-"Report"-Interview im Jahr 2011 meinte Kurz, er könne nicht sagen, wofür die ÖVP eigentlich noch stehe. Nun hat er dieses Dilemma kurzerhand damit gelöst, die Partei in seine eigene Bewegung umzugründen. Alles, wofür er steht, ist nun die "Neue Volkspartei". Offen bleibt, ob alle ÖVP-Mitglieder dieser Änderungskündigung zustimmen. Aber die Chance, die sich dahinter verbirgt, wiegt wohl mehr, scheint es ihm doch zu gelingen, auch in den Teichen anderer politischer Gruppierungen zu fischen - und dafür benötigt er sicherlich nicht erst den ÖVP-Klubobmann.

Kurz ist nicht nur der erste Parteiobmann seit Wolfgang Schüssel mit Ecken und Kanten, er hat auch eine politische Meinung, die er mit viel Nachdruck vertritt. Diese Ansichten müssen nicht jedem und jeder gefallen, doch - und das ist das Erfrischende an seiner Politik - er hat wenigstens etwas zu sagen. Auch schafft er, was keiner Partei bis dato gelungen ist: Er tritt mit einer Riege an jungen Menschen an, die allerdings keine Politneulinge sind, und muss sich somit auch nicht an Quereinsteigern bedienen.

Mit Elisabeth Köstinger und Asdin El Habbassi - um nur zwei Namen zu nennen - haben weitere Politprofis die Bühne betreten, die für eine neue bürgerliche Politik stehen. El Habbassi spricht aufgrund seines migrantischen Hintergrunds vielleicht auch eine gesellschaftliche Gruppe an, die sich in der bisherigen ÖVP kaum wiederfindet. Und mit Köstinger ist nicht nur eine Sachpolitikerin vor den Vorhang getreten, die der Beweis dafür ist, dass Europapolitik nicht das politische Abstellgleis bedeuten muss; sie ist auch eine Ansage an emanzipierte bürgerliche Frauen.

Es bleibt zu hoffen, dass Kurz’ Personalauswahl auch weitere Polittalente berücksichtigt, die über eine hohe Sachkompetenz verfügen, aus Überzeugung bürgerliche Werte vertreten und leben - und die eine Vision für unser Land haben. Carmen Jeitler-Cincelli, Stadträtin in Baden, ist zum Beispiel so eine, oder auch Theresia Leitinger, die bereits bei den ÖVP-Frauen von sich Reden gemacht hat. Fehler sind dem designierten Parteichef noch kaum unterlaufen; also wollen wir davon ausgehen, dass er sich für sein Team der besten Köpfe bedienen wird.