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Das Traurige an Alfred Gusenbauer

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Warum es zwar legal, aber nicht legitim ist, wenn Ex-Kanzler sich Despoten als bezahlte Mundwerker andienen: Das tut man einfach nicht.


Schon als Alfred Gusenbauer noch Kanzler war, beherrschte er souverän die Kunst, allen Menschen, die nicht Alfred Gusenbauer sind, das Gefühl zu vermitteln, dass er sie für komplette Idioten hält. Seither dürfte er dieses Talent noch stark verfeinert haben. Denn anders ist nicht zu erklären, dass er sein jüngst aufgeflogenes und blendend honoriertes Wirken zugunsten des superkorrupten und auch sonst recht widerlichen einstigen Regimes von Wiktor Janukowitsch in der Ukraine damit erklärte, bloß "für eine Heranführung der Ukraine an die EU" tätig geworden zu sein, das sei eine "noble Causa" gewesen. Na klar, und Harvey Weinstein ist ein selbstloser Anwalt des globalen Feminismus, der demnächst das Frauen-Volksbegehren unterschreiben wird.

Dass ein ehemaliger österreichischer Bundeskanzler für einen Haufen Geld die Interessen mehr oder weniger übler Regimes vertritt, ist grundsätzlich legal. Der Mann ist als Privater niemandem Rechenschaft schuldig, solange er sich an die Gesetze hält (und hoffentlich auch ordentlich versteuert, was er da kassiert), geht das niemanden etwas an.

Weil etwas legal ist, muss es aber noch nicht legitim sein; von Redlichkeit, Anstand und Stil ganz zu schweigen. Und legitim ist es eher nicht, wenn ein ehemaliger Kanzler sich als bezahlter Mundwerker von Typen wie Janukowitsch betätigt.

Warum mieten sich Autokraten, Despoten und Diktatoren eigentlich so gerne Leute wie Gusenbauer oder andere - übrigens oft sozialdemokratische - ehemalige Regierungschefs?

Vermutlich eher nicht wegen deren unbestrittenen önologischen Kompetenzen. Sondern, weil sie kraft ihrer einstigen Ämter eine gewisse Reputation haben, Telefonbücher mit hunderten wertvollen Kontakten besitzen und in der Öffentlichkeit freundliches Gehör finden. Sie sind das, was man in der neuen Welt der Sozialen Medien "Influencer" nennt. Diese Eigenschaft lässt sich am Nobelstrich der politischen Aufmerksamkeitsökonomie blendend monetisieren, das ist das simple Geschäftsmodell der gewesenen Kanzler, nicht nur in Österreich.

Doch gekauft - oder besser gesagt gemietet - wird hier nicht die Intelligenz oder das Talent einer Privatperson, das wäre legitim, sondern ausschließlich Assets, die sozusagen Restbestände oder Residuen des einstmals ausgeübten Amtes sind. Wäre Herr Gusenbauer nie österreichischer Bundeskanzler gewesen, würde Herr Janukowitsch ihn vermutlich nicht einmal nach der Uhrzeit fragen.

Wenn man so will, streift ein Kanzler mit dem Ende seines Mandates zwar das Amt ab, nicht aber alle damit verbundenen Fähigkeiten, Möglichkeiten und Einflusspotenziale. Diese ihm ausschließlich dank des Amtes zugekommenen Werte - und das sind sie - nicht nur formlos zu privatisieren, sondern auch an den höchstbietenden Widerling zu verramschen, mag legal sein. Legitim ist es nicht. In jener ohnehin weitgehend untergegangenen bürgerlichen Welt, deren Teil zu werden bedauernswerte tragische Helden wie Alfred Gusenbauer so heftig anstreben, wie sie stets daran scheitern werden, sagt man in so einem Fall: Das tut man einfach nicht.

Aber das dürfte der brillante Alfred Gusenbauer nicht verstehen.