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Digitalisierte Bildung

Von Ernst Smole

Gastkommentare
Ernst Smole ist Musikerzieher, Dirigent und Unternehmer im Bildungs- und Tourismusbereich. Er leitete bis 2010 die als Inklusionsschule geführte Johannes Brahms Musikschule der Stadt Mürzzuschlag. Bis 2006 war er auch Co-Geschäftsführer des Kunsthauses Mürzzuschlag und koordiniert ein rund 50-köpfiges multidisziplinären Team zum "Unterrichts:Sozial:Arbeits- und Strukturplan für Österreich 2015 - 2030" (www.ifkbw-nhf.at). Foto: privat

Neun Zukunftsforderungen an Schule und Gesellschaft.


Die Digitalisierung ist in aller Munde. Und sie betrifft auch das Bildungssystem. Wirtschafts- und Zukunftsexperten nennen dazu einhellig mehrere Aspekte, die bereits ab dem Kindesalter bedeutend für die Bewältigung der gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen der Digitalisierung sind:

Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen zum Erlangen einer kritisch/realistischen Weltsicht und damit zur orientierten demokratischen Teilhabe, zum Erwerb von Abstraktionsfähigkeit, für Erwerbsarbeit in Traumberufen und für sinnerfüllte Freizeit.

Überblicks- und Kombinationsfähigkeit zum qualifizierten Erkennen, Orientieren, Bewerten, Planen und Handeln.

Ein soziales Fühlen, Denken und Handeln zur Sicherung des Gemeinsamen, zur Vermeidung von Einsamkeit und von gesellschafts- und selbstzerstörendem Autismus und Egoismus.

Feinmotorische Fähigkeiten, Nanotechnik, neue und traditionelle Handwerksberufe, das Ineinanderfließen künstlerischer, geistiger, seelischer, manueller, digitaler und mechatronischer Aspekte.

Kreativität und Innovationsinteresse, um noch nie Dagewesenes zu (er)denken und zu tun.

Selbstgeleitete Flexibilität: notwendige Änderungen intelligent ("zwischen den Zeilen lesend") eigenständig vorab erspüren, das Tun danach ausrichten.

Zur persönlichen Zukunftssicherung mehrere (traum)berufsrelevante Interessen ausbilden und nutzen, auch für eine sinnerfüllte Freizeit.

Bereitschaft zu Gestaltungsverantwortung und beruflichen Risiken, unbeirrt vom Zeitgeist.

Passives und aktives digitales Wissen und Programmieren: kritisch erkennen, was das Digitale mit uns macht und wofür wir es nutzen können, und digitale Chancen für künstlerisch-kreatives Gestalten in Beruf und Freizeit nutzen.

In dieser Liste finden sich sowohl die traditionellen Zukunftsforderungen der Wirtschaft (Grundkompetenzen, handwerkliches Können, Gestaltungswille) als auch die klassischen Bildungsziele (das Erkennen der Welt durch Überblick, die Entwicklung von Erkenntnisfähigkeit, Verantwortlichkeit und Kreativität) vereint. Die handwerklich/künstlerisch/kreativen Unterrichtsgegenstände, die heute marginalisiert sind, gehören inhaltlich ins Heute geholt und ins Zentrum der Schule von heute gerückt.

Der wirksamste Schlüssel zu diesen neun Aspekten findet sich in der Lebensphase vor dem Schuleintritt, da hier die Interessenfähigkeit der Kinder am umfassendsten zum Erblühen gebracht werden kann. Testregimes, Verschulung, Leistungskompasse, Fortschrittsevaluierungen und Portfolios im Kindergarten sind diesem Ziel hinderlich, da sie vom Wesentlichen, nämlich vom Kind an sich, ablenken.

Allgemeinbildung kann tatsächlich zu einer humanen Lebens-, Freizeit- und Berufsfähigkeitsbildung im besten Sinne werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es in allen Gesellschaftsbereichen gelingt, das Digitale und das Analoge in einer menschenzentrierten Balance zu halten. Darauf müssen wir mit Herz, Hand, Hirn und Mund hinarbeiten.