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Ursachenforschung ist dringend nötig

Von Wolfgang Rehm

Gastkommentare
Wolfgang Rehm ist UVP-Koordinator der Umweltorganisation Virus, seit 1984 im Umweltschutz tätig und hat an zahlreichen UVP-Verfahren mitgewirkt. Alle Beiträge dieser Rubrik. unter: www.wienerzeitung.at/gastkommentare
© MILLIREHM

Beim Thema Verfahrensdauer will die Regierung mit einem Doppelangriff die UVP-Parteien ausschalten.


Das Jammern über lange Verfahren ist nicht neu, sondern Begleitmusik jeder Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Bei der Ursachenforschung herrscht aber Fehlanzeige, daher bleiben die Resultate aus. Aktuell sind dafür das viel kritisierte Standortentwicklungsgesetz (StEntG) und - in dessen Windschatten - ein UVP-Gesetzesentwurf parallel in Begutachtung geschickt worden.

Dabei ausgeklammert blieb die Nachbesserung der bei Einreichung offensichtlich ungenügenden Projektunterlagen als der größte Zeitfresser, obwohl diese allein die vorgesehene Gesamtverfahrensdauer (6 bis 12 Monate) um ein Mehrfaches übersteigen kann. In den Asfinag-Verfahren des Verkehrsministeriums passiert dies systematisch. Mit einem Durchschnitt von
21 Monaten und Spitzenwerten von bis zu 36 Monaten (beim Schnellstraßenprojekt S8 im Marchfeld) würde die sachverhaltsunabhängige Genehmigungsautomatik - Kernstück des StEntG - hier schneller greifen, als das Projekt fertig korrigiert ist und das eigentliche Verfahren beginnen könnte.

Die Lösung ist klar: Zurückweisung samt Sperrfrist zur Wiedereinreichung, wenn ein mangelhaftes Projekt nicht binnen 6 bis 12 Monaten prüfungstauglich überarbeitet ist. Resultat: Entlastung der knappen Behörden- und Sachverständigenkapazitäten. Die gut gemachten Projekte, die wegen der schlechten auf ihre Bearbeitung warten müssen, würden profitieren.

Häufige, auch taktische Projektänderungen, etwa um Verbesserungsaufträge zu unterlaufen (zum Beispiel bei der S8) oder um Verhandlungen zu vertagen (etwa beim Marchfeldkogel), sind ein weiterer wesentlicher Zeitfaktor. Schließlich runden Behörden, die Projekte unter keinen Umständen abweisen dürfen und daher nicht entscheiden (auch dafür gibt es Beispiele), das Bild ab. So ruhen nicht genehmigungsfähige Projekte, bis nach Jahren die Anträge zurückgezogen werden.

In beeindruckender Einhelligkeit kommentiert die juristische Elite des Landes, wie vielfach rechtswidrig und den Rechtsstaat wie die Rechtssicherheit gleichermaßen gefährdend das StEntG ist. Die Aufhebung entweder durch EU-Gerichtsbarkeit oder Verfassungsgerichtshof wäre nur eine Frage der Zeit, bis dahin allerdings mit beträchtlichen Kollateralschäden - die von einer klugen Bundesregierung vermieden werden könnten.

Bisher leider unter der Aufmerksamkeitsschwelle blieb der Entwurf zum UVP-Gesetz. Dort soll nach der beliebig angesetzten mündlichen Verhandlung in völliger Verkennung ihrer Bedeutung nichts mehr vorgebracht werden können. Die Judikatur verlangt von den Verfahrensparteien, den Behördengutachten (mit eigenen Gutachtern) auf gleicher fachlicher Ebene zu begegnen.

Dafür braucht es Zeit, die nicht da ist, wenn diese Gutachten knapp vor oder im Extremfall erst zur Verhandlung vorgelegt werden, die im Übrigen so gut wie immer Aufarbeitung erfordert. Der Effekt: statt möglicher Jahre bei den Verfahrenszeitbonzen mickrige vier Wochen "Verfahrensbeschleunigung" auf Kosten der Parteien. Der Preis: Rechtswidrigkeit. Mit fairem Verfahren und dem Recht auf Parteiengehör hätte dies nichts mehr zu tun.