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Der geleugnete Cum-Ex-Steuerbetrug

Von Bruno Rossmann

Gastkommentare

Den Schaden kleinzureden bedeutet nicht, dass es ihn nicht gegeben hat.


"Gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen!", versucht Finanzminister Hartwig Löger unliebsame Augenzeugen abzuwimmeln, während hinter ihm der geknackte Safe sperrangelweit offensteht und noch von der Sprengladung qualmt. Ungefähr so könnte die Situation rund um den Cum-Ex-Steuerbetrug karikiert werden.

Doch worum geht es eigentlich? Durch einen Trick wurde Kapitalertragsteuer auf Dividendenerträge von Aktien doppelt rückerstattet, obwohl der Anspruch nur einmal bestand. Betrüger haben die Staaten auf diese Weise systematisch abgezockt. Es ist einer der größten Finanzskandale Europas, der Gesamtschaden soll über 55 Milliarden Euro betragen. Auch Österreich ist betroffen, doch weder zahlreiche parlamentarische Anfragen noch ein von mir initiierter und im Juli dieses Jahres veröffentlichter Bericht des Rechnungshofes (RH) konnten eine Schadenssumme zu Tage fördern. Laut RH liegen die Daten dazu im Finanzministerium (BMF) nicht vor. Es wurden allerdings 168 verdächtige Fälle neu aufgerollt. Der Finanzminister wird nicht müde zu betonen, dass aufgrund dieser Aufrollungen noch kein Schaden evident sei, sprich, er geht davon aus, alle unrechtmäßigen Erstattungen erfolgreich zurückfordern zu können. Er weigert sich allerdings partout, den potenziellen Gesamtschaden dieser aufgerollten Fälle zu nennen.

Die Strategie des Aussitzens hätte auch beinahe funktioniert. Zuletzt war das mediale Interesse an der Causa nur noch mäßig. Neue Aufmerksamkeit brachte eine internationale Recherchekooperation namens "CumEx Files". In Österreich waren "News" und "Addendum" beteiligt. Insidermeldungen zufolge soll sich der Schaden in Österreich auf mindestens 50 Millionen Euro pro Jahr belaufen. Zugegeben, von den Milliardenbeträgen anderer Länder ist das weit entfernt, aber den Schaden unter den Teppich zu kehren, geht gar nicht.

Weshalb aber ist das BMF so interessiert daran, den Betrug kleinzureden, ja gar zu leugnen? Ein Eingeständnis des Schadens wäre auch eines des eigenen Versagens. Einerseits muss man das damals gestrickte Narrativ aufrechterhalten, wonach ein rechtzeitig verhängter Auszahlungsstopp den Betrug abgewendet hat. Andererseits würde sich dadurch zeigen, dass das Risiko bewusst in Kauf genommen wurde. Ein vermeintlicher Insider kommentiert gegenüber "Addendum" die damalige Situation: "Österreich galt als sicher. Die meisten Trader hatten den Eindruck, Österreich ist einfach verschlafen." Diese Einschätzung deckt sich mit dem Bild, das eine Anfragebeantwortung und der RH-Bericht zeichnen, wonach es sowohl massiven personellen als auch technischen Ressourcenmangel gab, dessen Behebung aufgrund von "Prioritätsentscheidungen" erst zehn Jahre später in Angriff genommen wurde.

Für mich ist in dieser Sache das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Ich habe vergangenen Freitag eine weitere Anfrage an den Finanzminister gestellt, um ihm bei der Gesamtsumme der aufgerollten Fälle erneut auf den Zahn zu fühlen. Er soll damit aufhören, uns für dumm zu verkaufen.