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Amazons Albtraum

Von Alexander U. Mathé

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Eine US-Juristin treibt ein wettbewerbsrechtliches Vorgehen gegen den Online-Shopping-Giganten voran.


Amazons Macht ist Lina Khan suspekt. Als der Online-Shopping-Riese im Juni 2017 den Biolebensmittelhändler Whole Foods um 14 Milliarden US-Dollar kaufte, waren die Börsen in Aufruhr. "Die Lebensmittelbranche wird davon in den kommenden zwei Jahren dominiert werden", sagte der Ex-Hedgefonds-Manager und Aktienexperte des US-Senders CNBC, Jim Cramer. Er reduziere seine Erwartungen an alle Lebensmittelhändler. Wie konnte es da sein, fragte sich Lina Khan, dass Amerikas Kartellwächter den Deal mir nichts, dir nichts durchwinkten? Noch dazu, wo auf der anderen Seite des Atlantiks die EU-Kommission bereits gegen Amazon ermittelte. Die 29-jährige Juristin und Absolventin der Eliteuniversität Yale hatte schon zu Studienzeiten versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie kam zu dem Schluss, dass die Monopolwächter in dem Bestreben, den Kunden zu helfen, diesen letztlich schaden. Bei der Interpretation der Gesetze zielen sie nämlich grundsätzlich auf einen für die Konsumenten möglichst günstigen Preis ab. Bei dieser Auslegung ist der notorische Billigbieter Amazon stets aus dem Schneider, wenn es um wettbewerbsfeindliches Verhalten geht. Khan zufolge müssen jedoch noch ganz andere Aspekte in die Beurteilung einbezogen werden. Etwa, dass Amazon zu einer Art landesweitem Versorgungsunternehmen geworden sei. Amazon "ist nun nicht nur ein Händler, es ist auch eine Marketing-Plattform, ein Zustell- und Logistiknetz, ein Zahlungsservice, Kreditgeber, Auktionshaus, ein riesiger Verlag, ein Film- und Fernsehproduzent, ein Modedesigner, Hardwarehersteller und der führende Anbieter von Speicherplatz in der Cloud", schrieb sie in ihrer vielbeachteten Studie "Das Antitrust-Paradox von Amazon". Nun missbrauche das Unternehmen seine Infrastruktur, um die Konkurrenz zu verdrängen. Khan vergleicht Amazon mit dem Monopol der Eisenbahnbarone vor gut hundert Jahren. "Die tausenden Einzelhändler und unabhängigen Geschäfte sind dazu gezwungen, auf den Schienen von Amazon zu fahren, um auf den Marktplatz zu gelangen. Sie sind zunehmend abhängig von ihrem größten Konkurrenten", erklärt Khan. Die Tochter pakistanischer Immigranten hat inzwischen auch die Politik von ihrer Idee überzeugt. Der Demokrat Rohit Chopra, eines von fünf Mitgliedern der Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission, hat sie als Rechtsberaterin eingestellt. Bei Amazon dürften mittlerweile die Alarmglocken laut schrillen. Denn das neue, demokratische Abgeordnetenhaus hat ein härteres Durchgreifen gegen die dominanten Online-Konzerne versprochen. Dabei dürfen sie sogar auf Schützhilfe aus dem republikanischen Lager rechnen. Denn sogar US-Präsident Donald Trump hat Amazon bereits als "Monopolisten" bezeichnet.