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Im EU-Wartezimmer wächst der Unmut

Von Martyna Czarnowska

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Martyna Czarnowska ist Redakteurin in der "Außenpolitik".
© Wiener Zeitung

Ein weiterer Aufschub der Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien würde die Glaubwürdigkeit der EU beschädigen.


Nein, nein, nein - der Widerstand der Niederlande und Frankreichs gegen die EU-Erweiterung gleicht dem Trotz von Kindern, die andere nicht und nicht mitspielen lassen wollen. Es gibt zwar Gründe, die Den Haag und Paris durchaus ins Feld führen können: Die potenziellen Beitrittskandidaten müssen zunächst einmal Reformen durchführen, sie haben Korruption und organisierte Kriminalität zu bekämpfen, sie dürfen nicht einfach zuschauen, wenn zu viele ihrer Bürger sich irregulär in der EU aufhalten oder dort um Asyl ansuchen. Doch selbst wenn sich die Bewerber größte Mühe geben, diese Bedingungen zu erfüllen, scheint dies einigen EU-Mitgliedern nicht genug. Daher werden Nordmazedonien und Albanien wohl auch kommende Woche kein Datum für den Beginn von Beitrittsgesprächen mit Brüssel genannt bekommen. Das Thema steht nämlich auf der Tagesordnung eines Ministertreffens kurz vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag.

Im Fall Nordmazedoniens wäre ein weiterer Stillstand besonders enttäuschend - für den Staat selbst, für die Region, aber auch für etliche EU-Mitglieder, die Skopje näher einbinden wollen. Vielmehr wäre eine Anerkennung der jüngsten Erfolge des südosteuropäischen Landes angebracht. Denn mit der Beilegung des Namensstreits mit dem benachbarten Griechenland hat Skopje eine wesentliche Voraussetzung für die Annäherung an Nato und EU erfüllt und damit eine Hürde aus dem Weg geräumt, die jahrzehntelang unverrückbar schien. Die Politiker haben dabei nicht nur guten Willen demonstriert, sondern das Anliegen auch durchgesetzt.

Sie haben, wie es in der Sprache der EU-Bürokratie heißt, "geliefert". Und nun sollte die EU ebenso liefern. Das findet nicht nur Skopje. Auch die EU-Kommission hat erneut empfohlen Verhandlungen mit Nordmazedonien zu starten, das bereits seit 2005 den Status eines Beitrittskandidaten hat. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat sich vor wenigen Tagen dem Wunsch angeschlossen.

Doch Frankreich und die Niederlande sagen: Nein. Aus Paris heißt es, dass eine Vertiefung der EU vor einer Erweiterung Vorrang haben sollte, und Den Haag gefällt sich schon seit langem in seiner Ablehnung. Die Skepsis gegenüber der Vergrößerung der EU vor allem unter den west- und nordeuropäischen Regierungen entspricht jener unter den Bürgern dieser Staaten.

Den Haag möchte sogar noch einen Schritt weiter beziehungsweise rückwärts gehen und Albanern die Visafreiheit bei Reisen in die EU entziehen.

Würden aber Nordmazedonien und Albanien abermals vertröstet, könnte das ein fatales Signal in die gesamte Region des Westbalkan aussenden. Davor warnen Politiker, Experten und die Zivilgesellschaft. Vor kurzem haben sich fast hundert Nichtregierungsorganisationen aus Belgrad, Skopje, Tirana, Sarajevo, Prishtina und Podgorica in einem Aufruf an Tusk gewandt, Nordmazedonien und Albanien zu unterstützen. Denn ein weiterer Aufschub des Gesprächsbeginns mit den zwei Kandidaten würde die pro-europäische Einstellung der Bevölkerung auf den Prüfstand stellen. Er würde auch die Glaubwürdigkeit der EU beschädigen.