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Unlauterer Wettbewerb um den "zwölften Mann"?

Von Christoph Rella

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Warum dürfen englische Fans ins volle Stadion, dänische aber nicht?


"Unlauterer Wettbewerb liegt dann vor, wenn das Verhalten von Unternehmen und Organisationen im wirtschaftlichen Wettbewerb gegen die guten Sitten verstößt." Was dieses Zitat mit Fußball zu tun hat? Auf den ersten Blick vielleicht nicht viel. Besieht man aber, wie England mit ausländischen Fans verfährt, mag dem einen oder anderen durchaus der Gedanke in den Sinn kommen, dass der an sich fair geregelte Wettbewerb um den "zwölften Mann" in den Stadien ordentlich mit "Packeln" getreten wird. Denn während die Anhänger der Three Lions im zweiten Halbfinale am Mittwoch uneingeschränkten Zugang ins Stadion erhalten werden, kommt es den dänischen Fans nicht zu unrecht vor, dass da was "faul ist im Staate England".

Nach derzeitigem Stand können aufgrund der Reise- und Quarantäne-Bestimmungen der britischen Regierung nur im Vereinigten Königreich lebende Dänen Karten erwerben - also etwa 6.000, während die übrigen Sektoren des auch mit Einschränkungen zehn Mal so viel fassenden Wembley-Stadions mit englischen Anhängern gefüllt werden. Freilich: Das gab es auch schon vorher - als etwa österreichischen Fans der Zutritt mehr oder weniger verweigert wurde, oder in Rom, wo wiederum englische Fans nur mit massiven Einschränkungen erwünscht waren. In einem Halbfinale wiegt es aber noch einmal schwerer, man könnte sagen: Es ist nichts anderes als "unlauterer Wettbewerb". Nicht nur verstößt das Aussperren (gegnerischer) Fans "gegen die guten Sitten", auch wird hier die Corona-Krise, wie nicht wenige glauben, als Vorwand benutzt, um die Ränge im Wembley in Weiß zu tauchen - was wiederum nun zu heftigen Protesten führt.

In Dänemark haben mehrere Parteien Regierungschefin Mette Frederiksen aufgefordert, sich auf die Seite der Fans zu schlagen. Die Boulevardzeitung "Ekstra Bladet" warf Frederiksen und Außenminister Jeppe Kofod vor, sich nicht zu Wort zu melden. "Die Leute sind geimpft, getestet und bereit, da hinüber zu schwimmen", schrieb die Zeitung. Dass die Anzahl der Infektionen in England gestiegen ist, will man in Kopenhagen offenbar nicht gelten lassen. Denn wäre die Lage aufgrund der grassierenden Delta-Variante so schlimm, wie behauptet wird, warum ist dann das Wembley-Stadion so gut gefüllt? Und wie passt das mit der Ankündigung von Premierminister Boris Johnson zusammen, das Land in zwei Wochen wieder öffnen zu wollen? Alles nur Zufall?

Nun, an der Kritik ist was dran. Am Ende wird sich aber England nur einen Bärendienst erwiesen haben. Kommt es zu einem Stadion-Cluster, wird dies heftige Diskussionen auslösen. Sollte aber alles ruhig bleiben und die Infektionen nicht steigen, sind ebenso Proteste programmiert - zumal vor allem die Dänen sich fragen werden, wozu sie dann vom Spiel ausgesperrt wurden. Vor allem aber könnte ein dank des einseitigen Rückhalts auf den Rängen erreichter EM-Triumph der Three Lions als Schwindel-Sieg in die Geschichte eingehen, also in etwa so wie der WM-Sieg von 1966, als man die Deutschen dank des berühmten Wembley-Tors bezwang.

Die schmerzhafteste Konsequenz, die bei unlauterem Wettbewerb gewöhnlich zum Tragen kommt, wird den Engländern freilich erspart bleiben - eine Klage auf Schadensersatz. Womit den Dänen kaum Optionen bleiben, außer die, trotzdem zu gewinnen.