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Gefährliche Vergesslichkeit

Von Christina Böck

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Man kann es niemandem verdenken, wenn er sich darüber freut, dass die Pandemie vorbei ist. Oder vorbei sein soll. Neue Varianten- und Infektionsdaten aus Indien zeigen ja ein bisschen ein anderes Bild, aber darum soll es hier nicht gehen. Masken sind ziemlich aus dem Stadtbild verschwunden, Quarantäne gibt es schon lange nicht mehr, selbst Spezialisten wie Christian Drosten sagen, man könne wieder zur "Normalität" zurückkehren. Das ist schön. Weniger schön ist die Geschichtsvergessenheit, die allenthalben um sich greift. Bei all jenen, auch politisch Verantwortlichen, die meinen, alle Lockdowns wären völlig unnötig gewesen. Das sagt sich leicht aus der heutigen Perspektive - mit einer funktionierenden Impfung bei der Hand. Dass es die anfangs nicht gegeben hat, dass selbst bei strengen Lockdowns Spitäler ins Trudeln kamen, dass man das Wort Triage, das man vielleicht aus der Kriegsliteratur kannte, mit Staunen im echten Leben hörte - vergessen. Die Leichenberge in Bergamo - vergessen. Die Leichenberge in New York - vergessen.

Dieses kurze Gedächtnis mag akut von Vorteil sein, um irgendwelche Wahlen zu gewinnen. Aber bei der nächsten Krise wird es den dann verantwortlichen Politikern auf den Kopf fallen. Und mit ihnen uns allen. Denn die Leute von sinnvollen Maßnahmen zu überzeugen, von denen die zu Überzeugenden wissen, dass sie bald wieder als eh nicht nötig hingestellt werden - das wird wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Blöd nur, dass die nächste Krise, die Klimakrise, längst schon begonnen hat.