Zum Hauptinhalt springen

Trügerische Medaillen-Spiegelbilder

Von Christian Mayr

Kommentare

Für den Sieg in der Medaillenwertung gibt es keine Goldene - warum wahre Emotionen viel mehr zählen als eine bald vergessene Edelmetall-Statistik.


Es müsste schon ein kleineres Sportwunder passieren, damit das österreichische Olympia-Team am Final-Wochenende noch das selbst gesteckte Ziel erreicht. Das waren - wir erinnern uns - mindestens 16Medaillen wie bei den durchaus erfolgreichen Winterspielen vor vier Jahren in Vancouver. Daher klang OÖC-Präsident Karl Stoss am Freitag in seiner vorzeitigen Bilanz auch verhalten: "Ganz zufrieden sind wir nicht." Natürlich hätte er gerne mehr Arme geschüttelt und Medaillen begrapscht, aber mal ehrlich: Ein Medaillenspiegel ist nun wirklich kein reales Abbild über erfolgreiche oder nicht erfolgreiche Spiele - und schon gar nicht über das, worum es dabei eigentlich geht. Denken wir nur zurück an Innsbruck 1976: erfolgreich oder nicht erfolgreich? Sicher Ersteres, weil sich vor allem Franz Klammers Goldritt vom Patscherkofel eingebrannt hat. Völlig vergessen ist hingegen das Debakel im Medaillenspiegel, in dem nur sechs Mal Edelmetall angezeigt wurde - und das bei Heimspielen! Oder was blieb von Lillehammer 1994? Dass Österreich nur neun Mal zugeschlagen hat - oder dass Thomas Stangassinger im Slalom den großen Alberto Tomba geschlagen hat? Eben. Genauso wird es auch bei Sotschi sein, das allein dank Abfahrtsgold von Matthias Mayer als höchst zufriedenstellendes Olympia in die Geschichte eingehen wird. Wer braucht einen Goldrausch wie in Turin, wo sich die vielen rot-weiß-roten Siege schon gegenseitig egalisiert haben? Rang drei damals in der Endwertung ergab übrigens keine zusätzliche Bronzemedaille, womit schon rein emotional die Bedeutung des Medaillenspiegels als Spielzeug für Statistik-Freaks oder OÖC-Beamte entlarvt ist. Tatsächlich interessiert der Ländervergleich schon am Schlusstag, wenn der letzte 50-Kilometer-Langläufer im Ziel und im Eishockey-Finale die Schlusssirene verhallt ist, niemanden mehr. Kampf Mann gegen Mann, Frau gegen Frau, siegen oder verlieren -und das in jedem Wettkampf. Darum geht es bei Olympia, das wollen die Menschen sehen, erleben, miterleben. Und die echten Emotionen danach: Ein ang’fressener Marcel Hirscher, der dem blöd fragenden Reporter auch blöd kommt; bronzene Kombinierer und Rodler, die unerwartet am Karriereende noch einmal ihr Bestes abgerufen haben. Bloße Medaillen-Fetischisten hingegen werden sich nie in die Herzen fahren, so viel Gold, Silber oder Bronze sie auch holen mögen - sie landen am olympischen Misthaufen der Geschichte.