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"Mit Almosen belohnt man Versager"

Von Alexander U. Mathé

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Drei Jahre lang berichtete Der Twitter-User @GSElevator über Gespräche, die - wie er erklärte - im Aufzug von Goldman Sachs aufgeschnappt wurden.


Die kurzen Nachrichten waren verstörend und faszinierend zugleich, aber auch lustig. Unter @GSElevator wurden Tweets verschickt, über "Sachen, die man im Aufzug von Goldman Sachs hört" - also im Aufzug jenes New Yorker Investmentbankunternehmens, dem vorgeworfen wird, Anlegern vor der Finanzkrise höchst riskante Derivate vermittelt und dabei Informationen vorenthalten zu haben. Investoren sollen damals um eine Milliarde Dollar geprellt worden sein, während die Firma 550 Millionen Dollar Strafe gezahlt hat, um eine Zivilklage der US-Börsenaufsicht abzuwehren. Was man laut @GSElevator im Aufzug von Goldman Sachs hörte, klang zum Beispiel so: "Ich gebe Sandlern niemals Geld. Ich könnte nicht guten Gewissens Versagen belohnen." Oder so: "Mein Mistkübel isst besser als 98 Prozent der Bevölkerung." Manchmal auch so: "Eine Mieze hat mich gefragt, was ich mit zehn Millionen Dollar machen würde. Mich wundern, wo der Rest von meinem Geld geblieben ist, antwortete ich." Oder auch so: "Bring jemandem das Fischen bei, und er wird trotzdem dem Mann seine Stimme geben, der ihm einen Fisch gegeben hat." Solche Sprüche bestätigten vielen, was sie sich insgeheim über die Mitarbeiter von Goldman Sachs dachten: Dass sie zynische, rücksichtslose Geldgeier sind, die dem Bild des Finanzhais Gordon Gekko aus dem Film "Wall Street" wie aus dem Gesicht geschnitten sind. Mehr als 644.000 Menschen verfolgten die Tweets von @GSElevator. Ebenso interessiert - wenn auch weniger amüsiert - war die Führung von Goldman Sachs über die undichte Stelle in den eigenen Reihen. Sie leitete eine interne Untersuchung ein, die den Übeltäter ausfindig machen sollte. Erfolgreich bei der Suche nach dem Twitteranten war allerdings jemand anders, nämlich die "New York Times". Sie fand heraus, dass es sich bei @GSElevator um den 34-jährigen John Lefevre aus Texas handelt. Dabei kam auch heraus, warum Goldman Sachs den Mann, der seit 2011 twittert, nicht fassen konnte: Er hat nie für diese Firma gearbeitet. Vielmehr war er laut "New York Times" als Rentenexperte bei der Citigroup beschäftigt. Zwar sei ihm von Goldman Sachs einmal angeboten worden, Chef der Abteilung für Konsortialkredite in Hongkong zu werden, das Angebot sei aber wieder zurückgezogen worden. Nach seiner Entlarvung meinte Lefevre: "Ich bin überrascht, dass es so lange gedauert hat." Bei Goldman Sachs ist man erleichtert und nimmt die Sache mit Humor: "Wir sind erfreut, mitteilen zu können, dass das Verbot, in den Fahrstühlen zu sprechen, nun mit sofortiger Wirkung aufgehoben wird." Und manch einer denkt sich wohl: "Wenn es nicht wahr ist, so war es doch gut erfunden."