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Wie naiv darf ein Künstler sein?

Von Edwin Baumgartner

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Jeder Tote im Gaza-Konflikt ist ein Toter zu viel. Doch der beklagenswerte Umstand, dass auf der einen Seite Raketen zum Schutz der Menschen dienen und auf der anderen Menschen zum Schutz der Raketen, was naturgemäß auf der einen Seite zu einem geringeren Blutzoll als auf der anderen führt, sollte nicht zur emotionsgeladenen Verleugnung der Realität führen, wie sie von rund 400 Kulturschaffenden betrieben wird.

Diese fordern in einem Offenen Brief an die Deutsche Bundesregierung und das Europäische Parlament, sich für den Schutz der Palästinenser im Gazastreifen einzusetzen. Dieser Brief ist an Einseitigkeit nicht zu überbieten: Israel wird als alleiniger Aggressor ausgegeben, die Kausalitätenkette des Konflikts wird verschwiegen, Israel als blutgieriger Kriegsverbrecher dargestellt. In seiner Einseitigkeit trägt dieser Brief antisemitische Züge.

Selbstverständlich darf man aber den Unterzeichnern dennoch nicht einfach Antisemitismus unterstellen. Es ist das Erbarmen des Künstlers mit den scheinbaren Erniedrigten und Beleidigten, als welche die Hamas die Palästinenser brillant inszeniert.

Doch sollten gerade Künstler auch bedenken, wer ihre Ideale, etwa von Freiheit, Frauen- und Minderheitenrechten, letzten Endes vertritt. Zum Suizid des (nicht-jüdischen, aber vielfach für einen Juden gehaltenen) Schauspielers Robin Williams hieß es in einem mittlerweile gelöschten Internet-Kommentar zum Nachruf in der "Zeit": "Kinderschlächter aber Holocaustopfer. Hier zeichnet sich die jüdische Abkassier-Masche ab." Es darf als sicher gelten, dass diese Meinung nicht von einem Israeli stammt.