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Gemäßigte Opposition bleibt Wunschtraum

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Das größte Problem der syrischen Opposition ist nicht der Islamische Staat, sondern die Aufgabe, selbst zu einer Einheit zusammenzufinden.


Wie der syrische Rebellenführer Hamza al-Shamali die Kämpfe in Syrien an der Grenze zur Türkei beschreibt, ist das unmittelbare Problem nicht, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zurückzuschlagen. Sondern die Pöbelbrigaden der Freien Syrischen Armee (FSA) zu einer einheitlichen Truppe zu ordnen, die nach der Vertreibung der Extremisten das Vakuum füllen kann. "Die Syrer haben das Vertrauen in die FSA verloren", sagte mir Shamali: Viele Rebellenführer seien undiszipliniert, ihre Kämpfer nicht gut ausgebildet, der FSA mangle es an Führung und Kontrolle. Die Extremisten der IS und der Jabhat al-Nusra füllen das entstandene Vakuum.

Shamali ist der Führer der Gruppierung Harakat Hazm, der "Standhaftigkeitsbewegung", der größten von den USA unterstützten Rebellentruppe Syriens. Er hat das Kommando über rund 4200 ausgebildete Kämpfer. Ich traf ihn in der Türkei, da syrische Rebellengruppen dort eine Art militärisches Einsatzzentrum unterhalten. Er und seine Vertreter gaben mir den bisher klarsten Überblick über die Herausforderung, die auf die Regierung von US-Präsident Barack Obama in Syrien zukommt. Das Problem ist, dass die von den USA unterstützte "gemäßigte Opposition" immer noch weitgehend ein Wunschtraum ist.

Das Gespräch mit Shamali erlaubt einen seltenen Einblick in die syrische Oppositionsgruppe, die die USA mit ihrem "verdeckten" Ausbildungsprogramm unterstützt. Harakat Hazm war die erste Gruppe, die US-Panzerabwehrmissiles erhalten hat. Die USA zahlen jedem Kämpfer 150 Dollar pro Monat und zeichnen die biometrischen Daten auf. Shamali sagte mir, dass er im Norden Syriens eine mobile Guerillatruppe aufbaut, statt zu versuchen, lokale Gebiete zu halten, wie die meisten Oppositionsgruppen es tun. "Man braucht eine Angriffstruppe, eine Speerspitze, die sich sehr schnell bewegen kann." Er möchte Menschen aus der Region ausbilden, um "die Lücken zu schließen", wenn die Extremisten sich zurückziehen.

Das größte Problem der FSA sind die gegenseitigen Vernichtungskämpfe. Im Lauf der letzten beiden Jahre habe ich mehrere Personen interviewt, die Oppositionsführer werden wollten: Abdul-Jabbar Akaidi zum Beispiel, Salim Idriss und Jamal Maarouf. Sie alle sprachen darüber, die Opposition zu vereinen, aber keinem ist es gelungen. Eine arabische Geheimdienstquelle erklärt: "Bis jetzt ist die FSA eine Art Mafia. Jeder möchte an der Spitze stehen. Die Menschen in Syrien haben diese Mafia satt. Sie hat keine Struktur." Und das von einem derjenigen, die seit drei Jahren kämpfen, den Widerstand aufzubauen.

Die schwierige Aufgabe, die richtige Struktur zur Ausbildung und Unterstützung der gemäßigten Opposition zu schaffen, wird größtenteils General John Allen zufallen, dem US-Sondergesandten für Irak und Syrien, der nächste Woche in Jordanien mit Mitgliedern der syrischen Opposition zusammentreffen wird.

Die meisten Rebellen kämpfen, weil sie Assads Regime hassen. Viele scheinen auch bereit, gegen die Extremisten zu kämpfen. Wenn aber die Luftschläge und die Unterstützung der USA scheinbar nur muslimische Kämpfer treffen und Assad stärken, wird diese Strategie, eine gemäßigte Opposition zu schaffen, wahrscheinlich scheitern.

Übersetzung: Redaktion