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Verkleidungskünstler bringt Richter zur Strecke

Von Alexander U. Mathé

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Helle Aufregung um ghanaischen Dokumentarfilm.


Wie Anas Aremeyaw Anas aussieht, wissen nur die wenigsten. Denn der Enthüllungsjournalist aus Ghana tritt hauptsächlich verkleidet in Erscheinung, beispielsweise als Polizist oder auch als Papiersack, wenn es die Situation erfordert. Gleich nach dem Abschluss seiner Ausbildung am Ghana Institute of Journalism und an der juridischen Fakultät der Universität Ghana, landete er seinen ersten Scoop, nachdem er sich als Prostituierte verkleidet hatte. Wenn Prostitution in Accra verboten ist, warum - so fragte er sich damals - ist sie dann ausgerechnet an einer der meistbefahrenen Straßen der Hauptstadt am präsentesten? Nach einigen Tagen auf dem Strich hatte er die Beweise für ein von korrupten Polizisten betriebenes mafiöses System. Als Barmann deckte er später ein chinesisches Sexkartell auf. Ein anderes Mal überführte er als Felsen verkleidet Schmuggler, die im ghanaischen Grenzgebiet ihr Unwesen trieben. Es ist, als sei er die fleischgewordene Figur des spanischen Comics Clever & Smart, in dem ein Agent stets in den absurdesten Verkleidungen - bis hin zur Kuhglocke - auftritt. An seinem letzten Coup arbeitete Anas zwei Jahre lang. Doch das Engagement zahlte sich aus, denn es hat einen der größten Skandale in der Geschichte des Landes ans Tageslicht gebracht. Die Justiz Ghanas wurde dabei in ihren Grundfesten erschüttert. Der Mann, der irgendwann in den späten 70ern geboren wurde, gab sich in diversen Prozesses als Freund oder Verwandter von Angeklagten aus. Als solcher versuchte er Richter und Beamte zu bestechen, um etwa mildere Urteile zu erwirken. Dabei stieß er auf ein korruptes System, in dem Richter entweder direkt oder über Mittelsmänner wie Gerichtsdiener das Recht für Geld und in einzelnen Fällen sogar für Ziegen und Schafe verkauften. Zwölf Oberlandesrichter, 22 Bezirksrichter und dutzende Justizbeamte wurden in flagranti gefilmt. Aus rund 500 Stunden Filmmaterial, das er mit einer versteckten Kamera produziert hatte, machte er einen dreistündigen Dokumentarfilm - der fast nicht erschienen wäre. Denn einige Richter versuchten dessen Veröffentlichung zu verhindern und einer wollte Anas sogar wegen Missachtung des Gerichts verhaften lassen. Glücklicherweise schritt Ghanas Justizminister ein und gewährte ihm Immunität. Dass die Gefängnisse Ghanas schon bald neue Insassen bekommen werden, gilt als sicher, denn bisher hat es nach Anas Aufdeckergeschichten stets Verhaftungen und Verurteilungen gegeben. Seine Arbeit hat ihm Anerkennung weit über die Grenzen Ghanas hinaus gebracht. US-Präsident Barack Obama lobte ihn ausdrücklich bei seiner Afrika-Reise im Jahr 2009. Doch all das hat seinen Preis: Der Journalist hat rund um die Uhr Personenschutz und schläft angeblich jede Nacht an einem anderen Ort. Anas muss das Phantom bleiben, das er ist, wie er selbst erklärt: "Ich kann mein Gesicht nicht zeigen. Wenn ich es tue, kommen die Bösen und holen mich."