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Risse in der Solidarität

Von Martyna Czarnowska

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Wie in der Flüchtlingskrise haben auch im Kampf gegen den Terror die EU-Staaten unterschiedliche Auffassungen vom Zusammenhalt.


Da ist es wieder, dieses Wort. Solidarität wird wieder viel beschworen, in den Sälen, in denen Politiker zusammensitzen, auf den Straßen. Wie in der Flüchtlingskrise wird sie nach den Terrorattacken in Paris gefordert. Und dass der Zusammenhalt der Europäer essenziel ist, wird auch kaum bestritten, jetzt noch weniger als in den Debatten um die Aufnahme von Schutzsuchenden. Doch wie zuvor, gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen von Solidarität.

Offen ist daher noch, wie der Beistand aussehen wird, den die übrigen EU-Mitglieder Frankreich zugesichert haben. Paris hätte gern militärische Unterstützung, in Syrien aber auch bei anderen Einsätzen. Dazu wären jedoch keineswegs alle Staaten bereit. Ebenso stößt die Idee der EU-Kommission, einen europäischen Geheimdienst einzurichten, auf mehr Ablehnung denn Zustimmung. Ihre eigene Zuständigkeit im Sicherheitsbereich will sich nämlich so gut wie keine Regierung nehmen lassen.

Noch schärfer zeichneten sich die Unterschiede in der Diskussion um die Verteilung von Flüchtlingen ab. Während die einen für eine verpflichtende Quote zur Aufteilung der Asylwerber plädierten, lehnten andere dies vehement ab. Während manche davor warnten, die Union mit neuen Zäunen zu fragmentieren, rückten andere den verstärkten Schutz der Außengrenzen in den Vordergrund.

So bleibt ein geeintes Europa weiterhin höchstens ein Projekt. Das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten hingegen, vor dem so mancher gern gewarnt hatte, ist bereits Realität. Es gibt Länder, die Mitglieder der Währungsgemeinschaft sind, und solche, die den Euro nicht einführen möchten. Rumänien und Bulgarien sind trotz jahrelanger Bemühungen noch immer nicht Teil des Schengen-Raums, in dem Reisen ohne Passkontrollen möglich ist. Großbritannien und Dänemark haben sich Ausnahmeklauseln bei der Zusammenarbeit im Justizbereich ausverhandelt.

"Wir müssen anerkennen, dass es verschiedene Ebenen der Integration und unterschiedliche Interessen der Mitglieder gibt", sagt Radko Hokovsky, Direktor der tschechischen Denkfabrik "Europäische Werte". Diese hat mit zwei anderen Instituten vor kurzem den Prager Europa-Gipfel organisiert, eine Konferenz, an der etliche Vertreter der Visegrad-Staaten teilgenommen hatten. Gerade dieser Gruppe, bestehend aus Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei, warfen vor allem die Westeuropäer mangelnde Solidarität in der Flüchtlingskrise vor.

Aber die Weigerung vieler osteuropäischer Politiker, verbindliche und dauerhafte Zusagen zur Aufnahme von Asylwerbern zu geben, entspricht der Meinung eines Teils der Bevölkerung, und auch in Akademikerkreisen sowie bei Nicht-Regierungsorganisationen löst sie nicht ausschließlich Kritik aus. "Es geht nicht darum, dass die Umsiedlung per se abgelehnt wird", erklärt der Politologe Hokovsky. Das Vorhaben werde schlicht nicht umsetzbar sein, weil weder die Registrierung der Schutzsuchenden in den Erstaufnahmezentren funktioniere noch die Rückführung jener, die kein Recht auf Asyl haben.

So machte die Flüchtlingskrise die unterschiedlichen Vorstellungen von der EU einmal mehr sichtbar. Dass der Kampf gegen den Terror die Risse kittet, ist unwahrscheinlich.