Zum Hauptinhalt springen

Die Ärmsten der Armen unter den Armen

Von Alexander U. Mathé

Kommentare

Ein Fotograf reiste über einen Zeitraum von 15 Jahren um die Welt und porträtierte Frauenschicksale.


Mark Tuschman schaut genau dorthin, wo andere oft verschämt wegschauen. 2001 startete der amerikanische Fotograf eine Tour um die Welt, um den Kampf von Frauen für Freiheit und Sicherheit sowie gegen patriarchalische Unterdrückung und Gewalt zu dokumentieren. Er bereiste Indien, wo Kinderhochzeiten nach wie vor verbreitet sind. Er war in Indonesien, wo Menschenhandel grassiert. Insgesamt hat Tuschman 17 Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika bereist.

Nun, 15 Jahre später, hat er seinen Bildband "Faces of Courage" (Gesichter des Muts) herausgebracht. Es ist ein aufwühlendes Potpourri über den Alltag von Frauen, die sich ständig - und oft vergebens - aufs Neue anstrengen, die Kontrolle über ihren Körper und ihr Leben zu erhalten. Tuschman traf die Indonesierin Seni, die quasi als Leibeigene nach Saudi-Arabien gebracht wurde und der drei Jahre lang jeglicher Kontakt mit ihrer Familie verwehrt wurde. Er unterhielt sich mit der 13-jährigen Inderin Kala, die im Alter von drei Monaten verheiratet wurde und sich darauf vorbereitet, nun mit ihrem Ehemann zusammenzuziehen. Eine Geschichte hat den Fotografen besonders verstört: "Sie wollten einen Mann verhaften, der seine Frau buchstäblich zu Tode gehungert hat. Er hat sie einfach nicht essen lassen", berichtet er. "Normalerweise erfahren wir von den schlimmsten und schockierendsten Fällen, wie jenem von Malala, der jungen pakistanischen Schülerin, die die Taliban versucht haben zu ermorden; oder von einer unglaublich brutalen Massenvergewaltigung in Indien; oder einem Ehrenmord eines jungen Mädchens durch ihre Familie", erklärt Tuschman gegenüber dem Online-Magazin "Slate". "Aber es gibt Zig-Millionen Frauen und Mädchen, die es nicht in die Schlagzeilen schaffen und denen doch ihre menschlichen Grundrechte verwehrt werden - mit potenziell tödlichen Folgen."

Eines haben Tuschman die Erlebnisse während seiner 15-jährigen Reise gelehrt: "Frauen sind überproportional oft unter den Armen die Ärmsten der Armen", sagte er der französischen Zeitung "Figaro". Doch Tuschman hat sich auch Optimismus behalten. Etwa, wenn er die Energie und den Elanvon jungen Mädchen im Klassenzimmer sieht.

Vom Magazin "American Photo" wurde Tuschmans Werk bereits zu einem der besten Fotobücher gekürt. Ein guter Start für Tuschman, dessen großer Wunsch es ist, mit seinem Fotobuch die Welt zu bewegen. So wie seinerzeit das Bild des toten syrischen Buben am türkischen Strand die Menschen bewegt hat und der Flüchtlingskrise ein Gesicht gegeben hat, will Tuschman unterdrückten Frauen rund um den Globus ein Gesicht geben. Oft seien Menschen einfach von den vielen Schreckensmeldungen überwältigt, aber ein einziger Fall könne Menschen dazu bewegen, aktiv zu werden.