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Eine Wahl ist eine Wahl - allerdings nicht immer

Von Walter Hämmerle

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Die Wahlwiederholung in der Leopoldstadt wirft einige Fragen auf - ziemlich wichtige sogar.


Wann hören Wahlen eigentlich auf, Wahlen zu sein? Die Antwort, auf die sich vermutlich die meisten einigen können, lautet: Wenn ein Wählerwille aus dem Ergebnis nicht mehr herauszulesen ist. Das ist natürlich bedauernswert abstrakt, weil der angebliche Wille der Wähler bekanntlich Wachs in den Händen von Politikern und Meinungsmachern ist. Aber besser als gar kein gemeinsamer Nenner.

So gesehen eignet sich die vom Verfassungsgerichtshof angeordnete Wiederholung der Bezirksvertretungswahl in der Wiener Leopoldstadt ganz hervorragend zur praktischen Erörterung dieser Frage. Am Sonntag wurde bekanntlich das ursprüngliche Wahlergebnis vom Oktober 2015 auf den Kopf gestellt, die SPÖ sackte auf Platz zwei ab, die Grünen schafften mit einem Erdrutsch Platz eins, dahinter blieb - grosso modo - alles beim Alten.

Kann passieren, ist schon passiert. Trotzdem sollte man sich die Muße nehmen, noch einmal grundsätzlich über diese Wahl nachzudenken.

Dabei sticht die Wahlbeteiligung ins Auge: erbarmungswürdige 35 Prozent. Umgelegt auf die Gesamtzahl der Wahlberechtigten erreichten die Grünen etwas mehr als 12 Prozent der Stimmen, die SPÖ 9,8 und die FPÖ 7,8 Prozent.

Nachdem es keine gesetzliche Mindestbeteiligungsquote gibt, steht die Gültigkeit der Wahl außer Frage. Und tatsächlich ist jeder Bürger selber schuld, wenn er von seinem Wahlrecht nicht Gebrauch machen will. Nachher zu jammern gilt nicht.

Trotzdem: Die Macht der Wenigen ist ein Problem in der Demokratie, wo es darum geht, dem Willen der Mehrheit politische Gestalt zu geben. Schon Wahlbeteiligungen um die 50 Prozent werfen einen Schatten auf die Legitimation der Gewählten, Werte noch deutlich darunter stellen die allgemeine Wahl an sich in Frage.

Deutlich wurde bei dieser Wahl auch, dass Wiens Bezirke - jedenfalls, wenn das Beispiel der Leopoldstadt verallgemeinerungsfähig sein sollte - von den Bürgern eher nicht als eigenständige politische Einheiten verstanden werden. Das jedoch ist eigentlich eine Grundvoraussetzung für politische Wahlen. Anders ausgedrückt: Wenn Wahlen in den Augen der Wahlberechtigten als unwichtig bis egal beurteilt werden, dann haben diese Wahlen vielleicht trotzdem einen Sinn. Nur besteht dieser eben nicht darin, herauszufinden, was die Wähler wollen. Womöglich spiegeln solche Wahlen eher die Interessen der Gewählten wider - immerhin geht es um Jobs und Funktionen. Die Frage spielte bis dato keine Rolle, weil erst jetzt eine Bezirkswahl isoliert, das heißt ganz ohne den politischen und medialen Rückenwind einer Wiener Gemeinderatswahl durchgeführt wurde.

So gesehen hat die vom Höchstgericht auf Antrag der FPÖ wegen einiger Verstöße im Umgang mit Wahlkarten angeordnete Wiederholung der Bezirksvertretungswahl zu einer völlig neuen Wahl geführt, die mit der vom 11. Oktober nicht mehr das Geringste zu tun hatte.

Das kann man begrüßen oder bedauern, wie man will, aber es ist schon auch ein demokratiepolitisches Problem.