Zum Hauptinhalt springen

Vom Stadion ins Hinterhaus

Von Christoph Rella

Kommentare

Wer schon einmal das Anne-Frank-Haus in der Prinsengracht 263 in Amsterdam besucht hat, wird die düsteren Eindrücke nicht so rasch wieder los. Hohe Räume, enge Treppen, wenig Licht - und dann das Bewusstsein, dass in dem nur 50 Quadratmeter großen Versteck der Familie Frank zwei Jahre lang, zumal nur geflüstert werden durfte, mehr oder weniger Totenstille herrschte. Wenn man dieses Hinterhaus nicht gesehen, das hier entstandene Tagebuch der Anne Frank nicht gelesen hat, kann man sich die Bedrohung, die von diesen hellhörigen Wänden ausging, kaum vorstellen. Und wohl auch nicht den Klang der Stiefel der Gestapo-Leute, die die Familie im August 1944 fanden und abholten.

Nun ist der Klang der Stiefel bis heute nicht verstummt. Man hört ihn heute immer wieder - ob in Gestalt hetzerischer Einträge auf Social Media, brauner Rülpser aus dem Mund unverbesserlicher Politiker oder auch Gesängen in den Fußballstadien. Besonders laut aufgestampft wird stets beim italienischen Klub Lazio Rom, dessen Fans in der Vergangenheit mit Sprüchen wie "Auschwitz ist eure Heimat, die Öfen sind euer Zuhause" und "Duce, Duce"-Rufen auffielen. So gesehen sind die antisemitischen Aufkleber, die Anne Frank im Trikot von Lazios Erzrivalen AS Roma zeigen, nur ein weiterer Höhepunkt in einer Entwicklung, der niemand Herr zu werden scheint. Entsetzen und Geldstrafen allein genügen da nicht mehr. Die einzige Sprache, die solche Fans verstehen, ist die der kollektiven Ächtung und des Stadionverbots. Ihre Freizeit könnten diese Herren dann für einen Amsterdam-Besuch samt Geschichtsnachhilfe nutzen.