Zum Hauptinhalt springen

Kleiner Staat - was nun?

Von Martyna Czarnowska

Kommentare

Der Kosovo ist nicht Katalonien: Das ist nun von verschiedenen Seiten zu hören. Serbien findet das nicht fair.


Die Serben wollen es schon lange gewusst haben. Als ihre ehemalige Provinz Kosovo ihre Unabhängigkeit ausgerufen hatte, warnte Belgrad vor einer Anerkennung des neuen Staates. Das würde weitreichende Folgen auch für andere Länder haben, in denen sich Regionen nach Eigenständigkeit sehnen. Und nun könnte sich Serbien bestätigt fühlen - mit dem Verweis auf die Ereignisse in Katalonien.

Allerdings: Der Kosovo ist nicht Katalonien. Das ist nun von vielen Seiten zu hören - mit jeweils unterschiedlicher Begründung. Auf dem Westbalkan habe es immerhin einen Krieg gegeben, sagen die einen. Serbien wollte außerdem die Autonomie des Kosovo schon früh einschränken, während Spanien zu der Maßnahme erst eine halbe Stunde später gegriffen hat, nachdem die Katalanen ihre Unabhängigkeit erklärt hatten. Und überhaupt sei Spanien ein EU-Staat, hieß es wiederum in der EU-Kommission.

Dieses Argument aber erzürnt Belgrad. Sei das ein Grund, mit zweierlei Maß zu messen? So lautet dort die Frage. Der Kosovo wurde anerkannt, aber bei Katalonien sei das ausgeschlossen? Gelte das Völkerrecht denn nicht für alle? Ein Bruch damit war nämlich aus serbischer Sicht die Akzeptanz der Unabhängigkeit des Kosovo. Und dass diese nur bedeuten könne, Pandoras Box zu öffnen, war eben von Anfang an ein Leitmotiv der Serben - und deren Mahnung an die Europäer.

Zumindest fünf EU-Mitglieder können dem etwas abgewinnen. Zu ihnen gehört denn auch Spanien. Es hat - wie die Slowakei, Rumänien, Griechenland und Zypern - die Eigenstaatlichkeit des Kosovo nicht anerkannt. Dass die Unabhängigkeitsdeklaration der ehemaligen serbischen Provinz separatistische Tendenzen auch in Barcelona befeuern könnte, war nämlich schon vor zehn Jahren die Sorge in Madrid.

Dass aber internationales Recht durchaus unterschiedlich ausgelegt werden kann, steht auf einem anderen Blatt. Dafür kann der Kosovo als Beispiel tatsächlich dienen. Denn während dieser weltweit von etlichen Staaten anerkannt wird, ist dies etwa bei Abchasien und Südossetien, die sich von Georgien gelöst haben, nicht der Fall. Umgekehrt können die zwei Regionen auf die Unterstützung Russlands zählen, das von einer Eigenständigkeit des Kosovo nichts wissen möchte. Da lässt der Kreml auch nicht das Recht auf Selbstbestimmung gelten, worauf er wiederum auf der annektierten ukrainischen Halbinsel Krim sehr wohl pocht.

Belgrad kann so auf die Rückendeckung aus Moskau zählen, wenn es um den Kosovo geht. Doch gibt es noch einen anderen Akteur: Brüssel. Serbien strebt die EU-Mitgliedschaft an, und auch wenn die Gemeinschaft den Beitrittskandidaten nicht offiziell zur Anerkennung der ehemaligen Provinz drängt, dann doch zu einer "Normalisierung der Beziehungen" mit dem Nachbarn. Immerhin gibt es schon einen Dialog zwischen Belgrad und Pristina, und auch innerhalb Serbiens haben bereits Gespräche über ein künftiges Verhältnis zum Kosovo begonnen. Dass der Standpunkt der EU in Belgrad dabei mehr zählen wird als jener Russlands, zeichnet sich schon ab.