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Die europäische Sicherheit gemeinsam stärken

Von Gernot Erler

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Gastkommentar: Österreich hat mit seinem Vorsitz hervorragende Arbeit zur Stärkung der OSZE geleistet.


Heute und morgen findet in Wien der Ministerrat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) statt, mit dem der österreichische Vorsitz in der OSZE beschlossen wird. Österreich hat mit seinem Vorsitz hervorragende Arbeit zur Stärkung der OSZE geleistet. Dies war nötig, denn kein Zweifel - Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa stehen derzeit unter Druck, die Zeiten sind schwieriger geworden. Schlüsselprinzipien der europäischen Friedensordnung, niedergelegt in der KSZE-Schlussakte von Helsinki und der Charta von Paris, wurden verletzt: Russland hat mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine die europäische Nachkriegsordnung und den Frieden auf dem Kontinent in Frage gestellt, einseitig neue Grenzen gezogen und internationale Abkommen gebrochen.

Dies hat weitreichende Folgen für die Sicherheit in Europa und in Deutschland und stellt uns vor neue Herausforderungen, nicht zuletzt in der OSZE. Gleichzeitig sind alle Staaten im OSZE-Raum, einschließlich Russland, auf vielen Ebenen und bei vielen Themen eng miteinander verzahnt und haben gemeinsame Interessen. Sicherheit und Wohlstand in Europa können langfristig nur in Kooperation erreicht werden. Deshalb setzen wir uns für einen intensiven Dialog über europäische Sicherheit ein und werben für neues Vertrauen. Die OSZE ist nach wie vor die geeignete und einzige Plattform im euro-atlantischen Raum dafür - und wir brauchen sie gerade in diesen unruhigen Zeiten.

Deutschland hat sich in den vergangenen drei Jahren während des deutschen OSZE-Vorsitzes 2016 und seiner jetzt zu Ende gehenden Mitgliedschaft in der OSZE-Troika gemeinsam mit Österreich und Italien sehr dafür eingesetzt, dass die Organisation als Plattform für Sicherheit gestärkt wird - in allen drei Dimensionen der OSZE. Wir konnten uns immer darauf verlassen, dass wir dabei mit Österreich und Italien an einem Strang ziehen. Das werden wir auch in Zukunft tun.

Insbesondere zwei Themen sind derzeit von herausragender Bedeutung für die OSZE: die Bemühungen um Beilegung des Konflikts in und um die Ukraine und sicherheits- und rüstungskontrollpolitische Initiativen zur Stärkung von Vertrauen und Zusammenarbeit im OSZE-Raum. Beim Konflikt in der Ukraine engagiert sich Deutschland auf allen Ebenen für eine friedliche Beilegung durch die vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarungen von 2014. Zum einen im Rahmen des sogenannten "Normandie-Formats" gemeinsam mit Frankreich, der Ukraine und Russland, aber auch in der OSZE. Besonders wichtig ist dabei unsere Partnerschaft mit Frankreich, dass sich auch unter Präsident Macron ebenso wie wir für eine Konfliktbeilegung einsetzt. Wir stimmen uns in unseren Bemühungen eng mit den USA ab, die Kurt Volker als Sonderbeauftragten für die Ukraine-Verhandlungen ernannt haben.

Die europäische Friedensordnung beruht seit den 1990er Jahren auch auf einer Reihe von Verträgen und Dokumenten zu vertrauensbildenden Maßnahmen und zu Transparenz und Rüstungskontrolle. Aber: Auch diese Instrumente sind heute geschwächt, suspendiert oder nicht voll umgesetzt. Außerdem haben sich neue sicherheitspolitische Rahmenbedingungen ergeben: In den vergangenen Jahrzehnten
haben technologische und militärische Weiterentwicklungen stattgefunden - etwa bei der Verlegefähigkeit von militärischem Gerät über große Distanzen und in
hoher Geschwindigkeit -, die aber von den Rüstungskontrollregimen nicht erfasst werden. Diese Defizite sollten durch Modernisierung sowie qualitativ neue Schritte abgebaut und unser aller Sicherheit sollte dadurch verbessert werden. Deutschland hat deshalb im August 2016 auf Ministerebene eine Initiative für einen umfassenden Neustart der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa initiiert. Damit wollen wir auf der Grundlage bestehender Prinzipien der OSZE und des Völkerrechts wieder zu einem Mehr an Vertrauen und Vorhersehbarkeit kommen und zur Verringerung von militärischen Risiken beitragen - auch, um einem Rüstungswettlauf in Europa entgegenzuwirken.

Die Minister der OSZE-Teilnehmerstaaten haben deshalb beim OSZE-Ministerrat in Hamburg vor genau einem Jahr einen "Strukturierten Dialog" zu sicherheitspolitischen Herausforderungen in Europa beschlossen. Dieser ist ein wichtiges Fundament, um bei der Erneuerung der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa voranzukommen, und trägt dazu bei, wichtige Themen der europäischen Sicherheit auf hoher Ebene zu
diskutieren. Dies haben wir in
den vergangenen Monaten in konstruktiver Atmosphäre getan. Wir brauchen insbesondere ein besseres Verständnis der jeweiligen Bedrohungsperzeptionen. Als wichtiger erster Schritt in diese Richtung soll nun gemeinsam durch alle OSZE-Teilnehmerstaaten eine Übersicht erstellt werden, die die jeweiligen Streitkräfte sowie die militärischen Übungen darstellt. Parallel dazu arbeiten wir weiter intensiv an der notwendigen substanziellen Modernisierung des "Wiener Dokuments" zur militärischen Vertrauensbildung in der OSZE und setzen uns dafür ein, den Vertrag über den Offenen Himmel durch Behebung von Implementierungsdefiziten und Unklarheiten im Vertrag zu stärken.

Zum Autor

Gernot Erler ist OSZE-Sonderbeauftragter der deutschen Bundesregierung.