Zum Hauptinhalt springen

Ein Finalist mit Fragezeichen

Von Christoph Rella

Kommentare

Man kann der französischen Mannschaft zum Einzug ins WM-Endspiel gratulieren. Lobeshymnen sind allerdings deplatziert.


Didier Deschamps findet also seine Mannschaft echt super. Nun ist das angesichts der Tatsache, dass die französische Nationalmannschaft am Dienstagabend den Sprung ins WM-Finale geschafft hat und sich anschickt, den Heim-Coup von 1998 in Russland zu wiederholen, keine Überraschung. Es gehört zum Sein des Trainers, den eigenen Erfolg vor allem am Ergebnis zu messen, und nicht etwa an der Qualität, durch die derselbe zustande kam. Deschamps verhält sich da nicht anders als die meisten anderen Trainer - am Ende zählen eben nur Punkte oder Tore.

Ein Tor von Samuel Umtiti war es letztlich auch, das Frankreich den Einzug in den WM-Olymp bescherte: Erzielt aus einer Standardsituation, eh klar. Dass Marouane Fellaini trotz seiner 1,94 Meter vom gebürtigen Kameruner (1,80 Meter) per Kopf überflügelt wurde, war schon eine Überraschung und hätte sicher nicht sein müssen. Weswegen man auch Belgiens Trainer Roberto Martínez zustimmen muss, wenn er meint, dass bei diesem 1:0 "das Quäntchen Glück entschieden" habe. Mehr ist eigentlich dazu nicht zu sagen, der Sieg der Bleus war in Ordnung, aber eben auch glücklich. Denn hätten die roten Teufel geliefert, als es an der Zeit war - nämlich in den ersten 30 Minuten -, der Finalist könnte auch Belgien heißen. Wer es nicht glaubt, möge sich die zahlreichen Chancen der roten Teufel zwischen Minute 14 und 22 zu Gemüte führen. Viel hat da nicht gefehlt, und Frankreichs Torhüter Hugo Lloris hätte hier hinter sich greifen müssen. Was die Belgier da zeigten, war Fußball vom Feinsten, ein Ausschnitt dessen, was sie schon in den vorangegangenen Spielen - bei der Aufholjagd gegen Japan wie auch beim 2:1 gegen Brasilien - vorexerziert hatten. Eiserner Wille paarte sich hier mit Kampfgeist und Freude am Spiel.

Betrachtet man hingegen das bisher Gezeigte der Équipe Tricolore, so war deren Spielweise sehr oft von Taktik geprägt. Ist es wirklich so, wie Deschamps am Dienstag in St. Petersburg sagte? Dass sein Team einfach "so gut" spiele und "so viel Charakter" habe? Am Ergebnis gemessen, vielleicht. Aber selbst hier nicht ganz. Es sei an dieser Stelle nur an das 4:3 gegen Argentinien erinnert - gegen jenes südamerikanische Land, das zuvor von Kroatien immerhin mit 0:3 vom Platz gefegt worden war. Vier Tore zu schießen ist schon okay, aber auch gleich drei zu kassieren - ist das wirklich weltmeisterlich? Oder man nehme das 2:0 im Viertelfinale gegen Uruguay: Spiel gewonnen, Mission erfüllt. Könnte man sagen. Dass hier ein entscheidender Gegner verletzungsbedingt auf dem Rasen fehlte, wird aber gern vergessen. Schließlich war es Edinson Cavani gewesen, der die Urus zuvor mit einem Doppel-Pack weitergebracht und den amtierenden Europameister brutal nach Haus geschickt hatte.

Und mit dem Charakter? Über den kann man freilich streiten, eines ist aber gewiss: Dafür, wie manche Stars (u.a. Olivier Giroud) im Vorfeld gehypt worden warten, war deren Beitrag doch eher dürftig. Für Kylian Mbappé gilt das nicht, wenngleich auch er im Belgien-Spiel Seiten zeigte, die eines Weltmeisters nicht würdig sind. Den Ball kurz vor Schluss zwecks Zeitschindens nicht herzugeben, ist einfach kindisch. Selbst für einen 19-Jährigen.