Mündige Nutzer
Hinter der Debatte stecken Befürchtungen der EU-Institutionen, dass kommende Urnengänge und das Wahlverhalten der Bürger immer massiver beeinflusst werden können - ob durch Manipulationsversuche aus Russland oder von europäischen Rechtspopulisten. Völlig aus der Luft gegriffen dürften die Sorgen nicht sein. "Soziale Medien verändern die politische Kommunikation, und das kann Einfluss auf das Wahlverhalten haben", sagt Laura Wiesböck, Soziologin an der Universität Wien. Und die Netzwerke bedienen "das Bedürfnis nach Eindeutigkeit", die nicht zuletzt auf Emotionen basiert: In einer immer unübersichtlicher werdenden Umgebung wird einfache Kategorisierung angeboten, die sich schnell beurteilen lässt: Gefällt mir, gefällt mir nicht.
Auch Wiesböck verweist auf das Phänomen der "Echokammern", in denen die Nutzer mit einer bestimmten Perspektive, einem einseitigen Weltbild konfrontiert sind. Lebendiger Austausch trete in den Hintergrund, die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen und zur Kompromissbildung schwinde - bis jede Form von Kritik diffamiert werde. In solch abgeschlossenen Räumen funktionieren Fake News und gezielte Propaganda gut.
Dabei sieht die Soziologin Desinformation selbst nicht als Gefahr für die Demokratie an. Gefährlich werde es, wenn Menschen Fake News übernehmen. Daher brauche es neue Nutzer-Kompetenzen, die anknüpfen an Fragen wie: Was ist ein kritischer Leser, was ist ein Diskurs, was sind seriöse Nachrichten? Begriffe müssen hinterfragt, das Bewusstsein etwa dafür geschärft werden, dass hinter den Netzwerken international agierende Konzerne und ihre finanziellen Interessen stecken. Ebenso das Bewusstsein dafür, dass Soziale Medien an den impulsiven Teil im Gehirn appellieren.
Wiesböck plädiert daher für einen "mündigen Umgang" mit Sozialen Medien. Denn "Mündigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Demokratie".