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Rechtspopulisten im Aufwind

Von WZ Online

Politik

Estland gilt als weltoffen und progressiv. Doch auch im Baltikumstaat sind die Rechten auf dem Vormarsch.


Tallinn (apa, dpa). Das EU- und NATO-Land Estland hat am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Nach Angaben der Wahlkommission gaben bis zum Nachmittag gut 57 Prozent der knapp eine Million Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Zur Wahl traten zehn Parteien an.

Nach Umfragen vor der Wahl zeichnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der linksgerichteten Zentrumspartei von Regierungschef Jüri Ratas und der oppositionellen wirtschaftsliberalen Reformpartei ab. Ob sich das regierende Dreierbündnis an der Macht halten kann, ist fraglich.

Denn wie in vielen anderen europäischen Ländern durften die Rechtspopulisten mit einem deutlichen Stimmenzuwachs rechnen. Die rechtspopulistische Estnische Konservative Volkspartei (EKRE) könnte drittstärkste Kraft werden. Von ihrem Abschneiden dürfte die Koalitionsbildung nach der Wahl abhängen, wobei die etablierten Kräfte eine Zusammenarbeit mit der europa- und zuwanderungskritischen Partei ablehnen. Den Einzug ins Parlament könnten bis zu sechs Parteien schaffen.

Vorreiter im E-Voting

Wirtschafts- und sozialpolitische Themen standen im Vordergrund des Wahlkampfes in dem nordosteuropäischen Ostsee-Staat, der zuletzt durch den riesigen Geldwäscheskandal bei der estnischen Filiale der Danske Bank in die Schlagzeilen geraten war. In der letzten Fernsehdebatte am Wahlvorabend diskutieren die Spitzenkandidaten der Parteien zudem eine mögliche Kriminalisierung von Doping, nachdem zwei estnische Langläufer in den Dopingskandal bei der Nordischen Ski-WM verwickelt sind.

Eine Besonderheit der Wahl war die Abstimmung im Internet, die Estland als erstes Land in Europa eingeführt hat. Bis zum Wahltag entschied sich mehr als ein Viertel der Wähler für das E-Voting - ein neuer Rekord. Darunter war auch Regierungschef Ratas, der seine Stimme in der Vorwoche elektronisch in Ägypten beim Gipfeltreffen der EU und der Arabischen Liga abgab.

Die Reformpartei-Spitzenkandidatin Kaja Kallas dagegen trat bewusst den Gang in die Wahlkabine an. Der Grund: Ihr Sohn wollte einmal sehen, wie eine Wahl so abläuft, wie sie dem estnischen Rundfunk sagte.

Die Wahllokale sollten um 20.00 Uhr Ortszeit (19.00 Uhr MEZ) schließen. Mit aussagekräftigen Ergebnissen wird in der Nacht auf Montag gerechnet.