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Lukaschenko setzt auf Härte

Von Gerhard Lechner

Politik
Weißrusslands autoritärer Präsident Alexander Lukaschenko (Mitte) präsentiert sich derzeit gerne martialisch.
© reuters/BelTA

Der Staatschef von Belarus verweigert sich dem Dialog - und lässt Führungsfiguren der Opposition inhaftieren.


Alexander Lukaschenko bleibt sich treu. Der weißrussische Diktator setzt bei der Lösung der politischen Krise in seinem Land auf Gewalt und Repression. Während am Sonntag wieder mehr als Hunderttausend Menschen in Minsk auf friedliche Art und Weise faire Wahlen und die Ablöse Lukaschenkos forderten, zeigte sich der Autokrat unbeeindruckt: Regierungsgebäude wie seinen prunkvollen Palast ließ er mit Stacheldraht zernieren und von Militär bewachen. Mit dem Hubschrauber kreiste Lukaschenko über Minsk, die Demonstranten bezeichnete er als "Ratten". Ganz in martialisches Schwarz gekleidet, mit schwarzer Kappe und schusssicherer Weste stieg der Präsident aus dem Hubschrauber. Während die Anti-Lukaschenko-Demonstranten immer noch mit Blumen protestieren, hielt der Präsident, als er zu seinem Palast ging, ostentativ eine Kalaschnikow in der Hand - ein Zeichen der Entschlossenheit. Den versammelten Sicherheitskräften dankte er für ihren Einsatz: "Danke, Ihr seid tolle Typen!", sagte Lukaschenko. "Wir stehen an Ihrer Seite bis zum Ende", riefen die Uniformierten und applaudierten.

Oppositionelle inhaftiert

Ob die Sicherheitskräfte wirklich bis zum Ende geschlossen hinter Lukaschenko stehen werden, ist zwar fraglich. Im Internet tauchten in den vergangenen Tagen und Wochen immerhin einige Videos auch von Sonderpolizisten auf, die aus Scham über die brutalen Polizeieinsätze ihre Uniformen und Abzeichen verbrannten. Das wird freilich nicht reichen, um Lukaschenko ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Dazu müsste schon eine breite Absetzbewegung von dem Autokraten innerhalb der Sicherheitskräfte und in seinem engsten Umfeld einsetzen.

Die ist bis jetzt freilich nicht in Sicht - im Gegenteil: Mit jedem Tag länger an der Macht demonstriert Lukaschenko seine Handlungsfähigkeit und damit auch seine Fähigkeit, hart gegen Gegner durchzugreifen. Am Montag hat die Sonderpolizei Omon zwei prominente Anführer der Demokratiebewegung, Olga Kowalkowa und Sergej Dylewski, festgenommen. Die beiden Regimegegner sitzen im Präsidium des neu gegründeten Koordinierungsrates der Opposition, der einen friedlichen Machttransfer in Belarus in die Wege leiten will. Lukaschenko hatte mehrfach gedroht, das Gremium zu zerschlagen. Er erklärte den Rat, der einen Dialog mit dem Machtapparat anstrebt, für illegal. Verhandeln will er mit der Opposition nicht, er sieht sich immer noch in einer Position der Stärke. Nach Ansicht kundiger Beobachter besteht der über 30-köpfige Rat aus gemäßigten Politikern, Wissenschaftlern und Künstlern. Nationalisten, heißt es, fehlen.

Nächste Ost-West-Krise?

Lukaschenko und seine Medien zeichnen indessen ein anderes Bild: Der Staatschef zitierte aus einem angeblichen Reformpapier der Opposition um Swetlana Tichanowskaja, das auf deren Homepage veröffentlicht worden sei. Es enthalte schroff antirussische Forderungen, wie etwa die Schließung russischer Fernsehsender und Militäreinrichtungen im Land, den Austritt aus dem Bündnis mit Russland, die Zurückdrängung der russischen Sprache oder einen angestrebten EU- und Nato-Beitritt. Als Autor des Textes, der sich im Netz nicht mehr finden lässt, nur noch in einer Kopie im Webarchiv existiert, wird der Ex-Vorsitzende der nationalistischen "Weißrussischen Volksfront", Alexej Janukewitsch, angegeben. Die Opposition erklärte, dass diese Forderungen nicht Teil ihres Programms seien - schon deshalb, weil der Rat zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch gar nicht gegründet war. Das Ganze sei eine Fälschung.

Doch die Reaktion Russlands blieb nicht aus. Außenminister Sergej Lawrow warf Tichanowskaja vor, kein Programm gehabt zu haben, das auf nationale Verständigung ausgerichtet sei. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, dass in einigen Dokumenten des Rates "der Schwerpunkt auf das Abnabeln von Russland gelegt" worden sei.

In Moskau reagiert man auf ein derartiges Ansinnen allergisch: Belarus ist für Russland ein lebenswichtiger Pufferstaat und Verbündeter. Ein Abdriften, gar einen Seitenwechsel des kleinen Bruders kann man nicht zulassen. Umgekehrt ist schon aus historischen Gründen jedes Beharren auf belarussische Eigenständigkeit mit einer Abkehr von Russland verbunden. Trotz aller Beteuerungen, es handle sich bei dem jetzigen Konflikt um einen rein innenpolitischen: Es ist gut möglich, dass die nächste Ost-West-Krise bevorsteht.